Welche Auswirkungen haben Bekenntnisgrundschulen auf Integration?

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In Paderborn fühlen sich nicht nur muslimische Eltern diskriminiert, weil der Besuch der nahe gelegenen Grundschule teuer erkauft werden muss:

„Muslimische Eltern etwa, so der Vater eines Grundschulkindes, befänden sich in dem Zwiespalt, gegen ihre Überzeugung eine Erklärung zu unterschreiben oder alternativ mit dem Kind die nächste Gemeinschaftsschule aufsuchen zu müssen.“
 (s. nw-news.de Paderborn, 15.12.2012, Wenn ein Muslim in die katholische Schule geht. SPD Arbeitskreis Migration diskutiert Probleme)

Ein Artikel auf WDR.de vom 15.12.2012 mit dem Titel „Nachteile beim Abmelden vom Religionsunterricht?“ beleuchtet die Auswirkungen von Bekenntnisgrundschulen auf Integrationsbemühungen. Es geht hier vor allem darum, dass Familien sich gezwungen sehen, ihr Kind an Religionsunterricht und Gottesdiensten teilnehmen zu lassen, obwohl sie dem Bekenntnis nicht angehören.

„Monika Franzen vom Schulamt Mönchengladbach widerspricht. Ihr sei kein Fall bekannt, dass eine Bekenntnisschule ein Geschwisterkind abgewiesen hätte, nachdem die älteren Geschwister sich nach der Aufnahmeerklärung vom Religionsunterricht abmelden ließen. Zugleich sagt die Schulamtsdirektorin: „Es ist klar, dass Kinder nicht aufgenommen werden können, wenn die Schulleitung weiß, dass Eltern ihr Kind eigentlich nicht im Sinne des Bekenntnisses unterrichten und erziehen lassen wollen.“ Dass es in Mönchengladbach keine Alternativen zu evangelischen oder katholischen Bekenntnisschulen gäbe, bestreitet Monika Franzen. Auch dort, wo sich Bekenntnisschulen konzentrierten – zum Beispiel in Mönchengladbach-Rheydt – gäbe es noch genügend Gemeinschaftsgrundschulen in zumutbarer Entfernung. Zumutbare Entfernung entspricht laut Franzen einem Radius von etwa zwei Kilometern. Diejenigen Kinder, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, könnten ein ermäßigtes Schülerticket bekommen.“

Im Paderborner Norden gibt es im Umkreis von vier Kilometern sechs Bekenntnisschulen – aber keine einzige Gemeinschaftsschule. Uns liegt ein Ablehnungsschreiben von einer dieser Schulen vor (November 2012). Das Kind soll von der katholischen Bekenntnisschule nicht aufgenommen werden, weil ein älteres Geschwisterkind im vorvergangenen Schuljahr vom Religionsunterricht abgemeldet wurde.

In den 1950er bis 1980er Jahren wurden in den USA übrigens Schüler per Schulbus in weiter entfernt gelegene Schulen transportiert, um einer Segregation (Entmischung der Bevölkerung) entgegenzuwirken. Kommunen in NRW subventionieren heute Schülertickets, damit christliche Kinder unter sich bleiben.

Service Bildung: Wie wandelt man eine Bekenntnisgrundschule um?

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Service Bildung einmal anders: WDR5 erklärt in der Sendung Leonardo nicht nur, warum vielfach Bekenntnisgrundschulen umgewandelt werden, sondern auch, was genau Eltern tun können, um dieses Verfahren durchzuführen („Service Bildung: Umwandlung einer Konfessionsschule“, 13.12.2012).

Die gesamte Sendung kann im WDR-Podcast gehört werden, der Beitrag über Bekenntnisgrundschulen beginnt bei Sendeminute 33: http://medien.wdr.de/m/1355416270/radio/leonardo/wdr5_leonardo_20121213.mp3

Beleuchtet wird in der Sendung beispielhaft die Situation an der Katholischen Grundschule Elsdorf (wir berichteten), wo eine evangelische Klassenlehrerin keine feste Stelle bekommen kann.

„Staat, Kirche, Religion – Wie passen Bekenntnisgrundschulen in unsere Gesellschaft?“ Podiumsdiskussion in Bonn am 19.11.2012

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Sind Bekenntnisgrundschulen noch zeitgemäß?
Landespolitik und Kirchen beziehen Stellung

Podiumsdiskussion über staatliche Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen,
Rathaus Bonn-Beuel, 19.11.2012

Hören Sie sich den Mitschnitt der gesamten Podiumsdiskussion an:

Nur in NRW sind rund ein Drittel der ausschließlich öffentlich finanzierten Grundschulen an ein Bekenntnis gebunden, fast alle katholisch. Damit sind Einschränkungen für all jene Kinder und Lehrkräfte verbunden, die nicht dem Schulbekenntnis angehören. Hinzu kommt, dass diese Schulen Religion im Regelfall ausschließlich im jeweiligen Bekenntnis unterrichten, unabhängig davon, wie sich die Schülerschaft zusammensetzt. Die Stadtschulpflegschaft Bonn und die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ haben die schulpolitischen Sprecherinnen der Landtagsfraktionen sowie Vertreter/innen der katholischen und der evangelischen Kirche  am 19. November 2012 ins Bonn-Beueler Rathaus eingeladen, um über die Rolle der Bekenntnisgrundschulen in öffentlicher Trägerschaft in Nordrhein-Westfalen zu diskutieren.


Berichterstattung:


Zitate aus der Diskussion

Renate Hendricks, MdL SPD (bildungspolitische Sprecherin)

Renate Hendricks, MdL SPD (bildungspolitische Sprecherin)

Wir können das Thema nicht angehen ohne die Kirchen, sondern nur mit den Kirchen.“

„Einen Großteil der Forderungen der Initiative können wir unterschreiben. Wenn sich die Zusammensetzung der Bevölkerung ändert, müssen auch die Schulen sinnvoll weiterentwickelt werden. Wir müssten die Verfassung ändern, das wollen wir an dieser Stelle nicht, aber wir müssen mit den Kirchen und gemeinsam im Landtag über die Bedingungen reden. Aus meiner Sicht ist das Quorum für die Umwandlung in Gemeinschaftsgrundschulen einfach zu hoch. Die SPD hat dazu parteiintern einen Antrag auf den Weg gebracht.“

Sigrid Beer, MdL Grüne (bildungspolitische Sprecherin)

Sigrid Beer, MdL Grüne (bildungspolitische Sprecherin):

„Es kann nicht sein, dass an der Frage der konfessionellen Zugehörigkeit Segregation entsteht, es kann nicht sein, dass gesellschaftliche Spaltung gefördert wird. Die Bekenntnisschule ist ein Instrument, um gesellschaftlich zu sortieren. Deswegen müssen wir über die Anmeldekriterien und über das Quorum miteinander reden. Für eine Verfassungsänderung reichen die Mehrheiten nicht aus.“

„Die Hürden bei der Umwandlung sind in der Tat sehr hoch, bei 2/3 Quorum im Grundschulbereich, während es in der SEK I bei 1/3 liegt, darüber muss man sicherlich nachdenken, wenn die Frage der Verfassung weiter so besteht.“

„Die Kirche muss zur Kenntnis nehmen, wie sich Gesellschaft verändert.“

Klaus Kaiser, MdL CDU (stellv. Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion)

Klaus Kaiser, MdL CDU (stellv. Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion)

Klaus Kaiser, MdL CDU  (stellv. Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion)

Die Ausländerquote an Katholischen Grundschulen ist meines Wissens ausreichend hoch.“

„Ich glaube, es gibt keinen gesellschaftlichen Konsens, Bekenntnisschulen abzuschaffen.“

„Diskriminierende Tatbestände darf es nicht geben, es muss Wahlmöglichkeit gegeben sein. Wir müssen problemorientiert im Einzelnen vorgehen.“

Hans Immanuel Herbers, Dipl. Theol., Piratenpartei NRW

Hans Immanuel Herbers, Dipl. Theol., Piratenpartei NRW

„Ich warte auf den Gesetzentwurf von Rot-Grün, dass wir andere Regeln über Bekenntnisgrundschulen kriegen.“

Öffentliche Schulen müssen weltanschaulich neutral sein. Es kann nicht sein, dass eine Aufnahmeerklärung auf eine öffentliche Schule in Nordrhein-Westfalen die Grundrechte außer Kraft setzt! „

„Die Kirchen müssen sich der Frage stellen, warum sie solche Privilegien im 21. Jahrhundert nach wie vor wollen.“

Yvonne Gebauer, MdL FDP (bildungspolitische Sprecherin)

Yvonne Gebauer, MdL FDP (bildungspolitische Sprecherin)

Ich stehe zu Bekenntnisgrundschulen, ich bin aber an Lösungen für die Probleme interessiert. Bekenntnisschulen und Gemeinschaftsschulen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es obliegt auch immer den Schulleitungen, wie sie mit den Fällen umgehen. Die Probleme müssen vor Ort gelöst werden, es gibt keinen Grund, Bekenntnisschulen abzuschaffen.“

„Man muss in Dialog mit den Kirchen gehen“.

„Wir müssen Probleme erkennen, diese Probleme gibt es und dieser Abend zeigt, dass Probleme angegangen werden.“

Robert Buchholz, Kath. Schulreferent Bonn/Euskirchen

Robert Buchholz, Kath. Schulreferent Bonn/Euskirchen

Bekenntnisschulen sind ein wichtiger Teil einer pluralen Gesellschaft. Eine GGS erzieht auch, aber die KGS kann mehr bieten. In einer KGS prägt das Bekenntnis nicht nur den Religionsunterricht, sondern soll das gesamte Schulleben und den Unterricht in allen Fächern prägen.“

„Zur fachlichen Qualifikation gehört die Konfessionalität.“

„Wenn wir als Kirche es nicht schaffen, an den Schulen die Leitung zu besetzen, müssen wir in die Pötte kommen.“

„Es darf nicht sein, dass man in einem Ortsteil gezwungen wird auf eine Bekenntnisgrundschule zu gehen, wenn es keine Alternative gibt, damit ist der Bekenntnisgrundschulgedanke sogar pervertiert.“

„Wir müssen alle zusammenwirken, um Härten zu beseitigen.“

Rainer Pauschert, Kirchenrat, Evangelische Kirche im Rheinland

Rainer Pauschert, Kirchenrat, Evangelische Kirche im Rheinland

„Die GGS ist ein Standardmodell, das trägt.“

„Wo evangelisch drauf steht, soll auch evangelisch drin sein.“

„Ich bin berührt von den Einzelbeispielen, von denen Sie erzählt haben. Wir sollten – flapsig ausgedrückt – mitnehmen, welche Risiken und Nebenwirkungen die Konfessionsschulen haben, gleichzeitig sollten wir aber auch nicht das Kind mit dem Bad ausschütten.“

Dr. Christian Karaus, Rechtsanwalt (Schulrecht), Kanzlei Birnbaum & Partner

Dr. Christian Karaus, Rechtsanwalt (Schulrecht), Birnbaum & Partner

„Die Diskussion zeigt, dass man in der Weimarer Reichsverfassung nicht umsonst versucht hat, die Trennung von Kirche und Staat hinzubekommen.“

„Die Legitimation von Bekenntnisschulen ist in einer religiös weniger homogenen Gesellschaft zunehmend schwerer aufrechtzuerhalten.“

„Die demokratischen Hürden für Elternbeteiligung dürfen nicht zu hoch sein.“

Zum Thema Abmeldung vom Religionsunterricht an Bekenntnisschulen: „Wir sollten Regelungen finden, die für alle transparent und eindeutig sind.“

„Vieles lässt sich im Rahmen einfacher Mehrheiten ändern, dafür brauchen wir keine Verfassungsänderung.“

Moderation: Karl-Heinz HeinemannBildungsjournalist

Termin und Ort:
Rathaus Bonn-Beuel, Großer Saal
Friedrich-Breuer-Str. 65,  53 225 Bonn
19. November, 19:30

Die Diskussion war thematisch in drei Abschnitte gegliedert:
Teil 1: Aufnahmekriterien an Bekenntnisgrundschulen
Teil 2: Lehrkräfte an Bekenntnisgrundschulen
Teil 3: Religionsfreiheit ernst nehmen

Teil 4: Publikumsfragen

Leserbriefe zur Podiumsdiskussion im General-Anzeiger Bonn

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zuletzt aktualisiert am 6.1.2012 (Leserbrief R. Rösler)

Leserbrief

Vielen Dank für die Berichterstattung über die Podiumsdiskussion zu Bekenntnisgrundschulen. Es war in der Tat eine lebhafte Diskussion, nicht zuletzt aufgrund des bunt zusammengesetzten und engagierten Publikums. Die meisten Teilnehmer auf dem Podium vertraten aber keineswegs unüberwindbar gegensätzliche Positionen. Als Mitglied der veranstaltenden Initiative war ich positiv überrascht, dass alle anwesenden Politikerinnen und Politiker ebenso wie beide Kirchenvertreter die geschilderten Probleme sehr ernst genommen haben. Konkret geht es um die Benachteiligung konfessionsfremder Lehrkräfte, aus Konfessionsgründen unbesetzte Leitungsstellen, den Zwang zu Gottesdienstbesuch und Religionsunterricht und in vielen Einzelfällen als diskriminierend empfundene Aufnameentscheidungen an den ausschließlich staatlich finanzierten Grundschulen. Der Repräsentant der evangelischen Kirche im Rheinland, Rainer Pauschert, sprach treffend von „Risiken und Nebenwirkungen“ der Konfessionsgrundschulen. Man kann angesichts der landesweit zahlreichen von solchen „Nebenwirkungen“ betroffenen Lehrkräfte und Familien nur hoffen, dass das Versprechen aller auf dem Podium vertretenen Politiker zügig eingelöst wird, gemeinsam im Gespräch mit den Kirchen tragfähige Lösungen zu erarbeiten.

  • Andrea Honecker (Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands im Erzbistum Köln), veröffentlicht am 26.11.2012

Leserbrief Andrea Honecker

  • Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“, veröffentlicht am 1.12.2012

In einem Leserbrief vom 26.11.2012 wirft Andrea Honecker, Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands*, der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ vor, diese hätte in ihrem Flyer und in ihrer Einladung zur Podiumsveranstaltung „Unwahrheiten“ verbreitet. Diese Unterstellung weisen wir entschieden zurück. Darüber hinaus wirft Frau Honecker unserer Initiative vor, Podiumsteilnehmer und andere Zuhörer durch Zwischenrufe und lautes Lachen brüskiert zu haben. Die gemeinsam von der Stadtschulpflegschaft und der Initiative gestaltete Podiumsdiskussion war eine öffentliche Veranstaltung mit knapp 100 Zuschauern*. Die Initiative ist nicht für die teils lauten Reaktionen des bunt zusammengesetzten Publikums verantwortlich zu machen. Wir als Elterninitiative wünschen uns eine sachliche Diskussion. Wir wollen die Situation an den öffentlich finanzierten Bekenntnisgrundschulen für die Schüler- und Elternschaft sowie für das Schulpersonal verbessern. Die Reaktionen aller auf dem Podium vertretenen Landespolitiker sowie der Kirchenvertreter belegen, dass diese sehr wohl um die Problematik dieser bundesweit einmaligen, nur noch in Teilen von NRW und Niedersachsen existierenden Schulart wissen.

Jeder Leser kann sich selbst einen Eindruck über die hier diskutierte Thematik verschaffen: Auf der Webseite der Initiative unter www.kurzebeinekurzewege.de findet sich ein vollständiger Mitschnitt der Veranstaltung sowie zentrale Aussagen der Podiumsteilnehmer. Wir als Initiative sind davon überzeugt, dass alle öffentlichen Schulen, also auch die zu 100% durch Steuergelder finanzierten Bekenntnisgrundschulen, allen Kinder und Lehrkräften gleichermaßen offen stehen müssen und dass es keinen Zwang zum Religionsunterricht oder zum Besuch des Gottesdienstes geben darf. Das ist aber an vielen Bekenntnisgrundschulen leider nicht der Fall und die Landespolitik ist aufgefordert, dies zu ändern.

Für die Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“
Silvia Bärwaldt, Karin Bißeling, Bea Buttler, Silke Dintera, Max Ehlers, Kemal Kaygusuz, Anja Niemeier, Jan Reche, Birgit Singhof, Dr. Birgit Wolz

*Berichtigungen:
Frau Andrea Honecker ist Vorsitzende der „Katholischen Elternschaft Deutschlands im Erzbistum Köln“, nicht des Dachverbandes „Katholischen Elternschaft Deutschlands“.
Laut ihrer Zählung waren es genau 76 Zuschauerinnen und Zuschauer.

Weitere, bislang unveröffentlichte Leserbriefe

  •  Dr. Birgit Wolz (Mitglied der Initiative)

Die Podiumsdiskussion „Sind Bekenntnisgrundschulen noch zeitgemäß“ hat für mich vor allem eines gezeigt:  Kaum einer wagt es öffentlich zuzugeben, dass Bekenntnisgrundschulen für viele Eltern vor allem dann attraktiv werden, wenn der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund besonders gering ist. Religiöse Gründe für die Schulwahl sind oft vorgeschoben und auch die Kirchen verstecken sich dahinter. Wir brauchen aber „gemischte“ Schulen, weil Kinder frühzeitig lernen müssen, einander zu respektieren, unabhängig davon, welcher Herkunft und welchen Glaubens sie sind. Unsere beiden Kinder besuchen bewusst eine Gemeinschaftsgrundschule, weil wir verhindern wollten, dass sie in einer katholischen heilen Welt aufwachsen. Gelernt haben vor allem auch wir Eltern. Weil wir begreifen mussten, wieviele Vorurteile auch wir gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund mit uns herumtragen, obwohl wir uns für fortschrittlich und tolerant hielten. Natürlich gibt es Probleme mit mangelnden Sprachkenntnissen, unterschiedlichem Sozialverhalten und religiösen und weltanschaulichen Differenzen. Aber unsere zunehmend buntere Gesellschaft wird nicht zusammenwachsen, wenn wir durch die Aufnahmepraxis der Bekenntnisgrundschulen, migrationsfreie Nischen schaffen und sich an den Gemeinschaftsgrundschulen die Problemfälle bündeln. Das ist in unserem Stadtteil leider der Fall, obwohl es sich ausschließlich um öffentliche Schulen in Trägerschaft der Kommunen handelt, denen eigentlich eine Diskriminierung aus religiösen Gründen durch das Grundgesetz verboten ist. Die rot-grüne Landesregierung muss diese Probleme endlich anpacken und ihren eigenen Forderungen nach Integration und Inklusion gerecht werden.

  • Birgit Singhof (Mitglied der Initiative)

Zum Podiumsabend zum Thema: „Sind Bekenntnisgrundschulen noch zeitgemäß“ und ihre Berichterstattung darüber, möchte ich als Teilnehmerin dieser Veranstaltung meine Verwunderung zum Ausdruck bringen, wie wenig Konkretes zu diesem brisanten gesellschaftspolitischem Thema von den Podiumsteilnehmern zu hören war. Ich hätte mir gewünscht, dass die Koalition aus Rot-Grün die unglückselige Verwaltungsvorschrift zurücknimmt, die 2009 von der CDU-FDP-Landesregierung aufgelegt wurde und die dafür sorgt, dass öffentlich finanzierte Grundschulen (denn das sind Bekenntnisgrundschulen ja nun mal), Kinder aufgrund ihres Bekenntnisses ablehnen können. Integration und Inklusion sollten an unseren Grundschulen selbstverständlich sein. Diese Vorschrift steht dagegen. Ich habe nichts gegen Schulen in kirchlicher Trägerschaft, aber ich habe etwas dagegen, wenn öffentliche Schulen Ausgrenzung aufgrund von Religionszugehörigkeit betreiben können. Hier sind unsere Politiker aus meiner Sicht gefordert, im Grundgesetz verankerte Rechte wieder Realität werden zu lassen.

Warum die Überlegung, die Bekenntnisgrundschulen aus unserer Verfassung zu nehmen, von den verantwortlichen Politikern an diesem Abend völlig verworfen wurde, ist mir somit ebenfalls ein Rätsel. Wir sind das letzte Bundesland mit Niedersachsen, das sich Bekenntnisgrundschulen leistet. Selbst Bayern hat diese 1968 zugunsten von Gemeinschaftsgrundschulen aus der Landesverfassung gestrichen. Diese vermitteln schließlich auch – nachlesbar im Schulgesetz – ein christliches Wertebild. In NRW sind die Kirchen jedoch, so scheint es, übermächtig und können an den Bekenntnisgrundschulen über Schüleraufnahme, Lehrer,- und Schulleiterbesetzung sowie über das Religionsunterrichtsangebot bestimmen. Ich bin gespannt, welcher verantwortliche Politiker den Mut hat, ernsthaft den ersten Schritt zu gehen, Nordrhein-Westfalen im Grundschulbereich endlich zeitgemäß aufzustellen.

  • Jan Hochbruck, Köln (als Antwort auf den Leserbrief Honecker)

 Der Splitter im Auge des Anderen
Frau Honecker verwechselt hier etwas: die „Zwischenrufer“ waren keinesfalls Mitglieder der Initiative, sondern ein atheistischer Block – sehr ähnlich dem katholischen, der ebenfalls anwesend war und mit ostentativem Klatschen und Buh-Rufen bei den jeweils ihnen unliebsamen Beiträgen seinen Teil zur Turbulenz beitrug. Die Initiative Kurze Beine – kurze Wege hat seit ihrer Gründung keine einzige „Unwahrheit“ verbreitet, sondern einen sozialen und rechtlichen Missstand ins Licht der Öffentlichkeit gebracht: dass die Diskussion darüber lebhaft und engagiert war, beweist ihre Dringlichkeit und die Notwendigkeit der Veränderung, die sich einfach nicht mehr durch Hinhalten und „ist doch alles gut so“ aussitzen lässt.

  • Reinhard Rösler, Bonn

In der Kontroverse wurde von Kirchenvertretern mehrfach auf die besondere Wertevermittlung hingewiesen, die auf Bekenntnisschulen stattfinde und ihre besondere Attraktivität ausmache. Allerdings wurde nicht näher erläutert, was diese Werte sind, denn zur Vermittlung von Werten, die sozusagen Allgemeingut sind, bedarf es keiner Bekenntnisschulen.

Welche Werte also werden an Bekenntnisschulen vermittelt, die säkulare oder Lehrkräfte einer anderen Glaubensrichtung nicht ebenso vertreten können? Welche Werte kann oder darf eine konfessionell gebundene Lehrkraft nur an einer passenden Bekenntnisschule leben und lehren? Und sind die Werte, die als Alleinstellungsmerkmale der betreffenden Bekenntnisschule gelten können, überhaupt Werte, die in unserer Gesellschaft erwünscht sind?

Kurz gefragt: Sind die Werte, zu deren Vermittlung es einer Bekenntnisschule bedarf, überhaupt wert, die weitreichenden staatlich finanzierten Privilegien diser Schulen (z.B. bei der Schüler- und Lehrerauswahl) zu rechtfertigen?

zurück zum Artikel über die Podiumsdiskussion

Keine Schulleitung aus Konfessionsgründen: „pädagogisch und schulorganisatorisch nicht sinnvoll“

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Renate Hendricks, schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, zum Problem unbesetzter Schulleitungsstellen:

“Wir haben sehr viele Grundschulen, die im Moment ohne Schulleitung sind. Ein Problem, das wir speziell an vielen katholischen Grundschulen vorfinden – weil ein Schulleiter oder eine Schulleiterin an diesen Schulen eben zunächst katholisch sein muss. Das ist pädagogisch und schulorganisatorisch nicht sinnvoll – darüber müssen wir unbedingt mit den Kirchen sprechen.”   (aus: Schule heute – Zeitschrift des Verbandes Bildung und Erziehung, 10/2012, S.13)

Das Bildungsministerium ignoriert diesen Aspekt übrigens hartnäckig (siehe Piraten fragen nach offenen Schulleiterstellen an Bekenntnisgrundschulen).

Weitere Informationen dazu:

und weitere Artikel zum Thema Lehrkräfte an öffentlichen Bekennntnisgrundschulen

Eine Möglichkeit, direkt bei verantwortlichen Politiker/innen nachzufragen, besteht am 19.11.2012 bei der Podiumsdiskussion in Bonn.

Positionen von Parteien und Verbänden in NRW zum Thema Bekenntnisgrundschulen

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Was sagen eigentlich Parteien, Lehrerverbände und Kirchen in NRW zum Thema Bekenntnisgrundschulen? Vordergründig bekannten sich im Landtagswahlkampf 2010 alle damals im Landtag vertretenen Parteien (CDU, SPD, FDP, Grüne) im Rahmen einer aktuellen Stunde zu den Bekenntnisgrundschulen – wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten. Weiterlesen

Piraten fragen nach offenen Schulleiterstellen an Bekenntnisgrundschulen. Das Ministerium antwortet. Nicht.

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aktualisiert 20. September 2012

Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Piraten ist am 18.09.2012 veröffentlicht worden. Diese Antwort ist allerdings beileibe nicht vollständig. In der Anfrage war explizit danach gefragt worden, „Wie viele Schulen welcher Schulformen und Schularten […] ohne eigene Besetzung der Schulleitung ins Schuljahr 2012/13 gestartet“ waren. Die Antwort enthält allein Zahlen über die Schulformen, die explizit erfragte Aufschlüsselung nach Schularten erfolgt nicht (s. hier). Weiterlesen

Kurze Wege für kurze Beine – vorausgesetzt das Bekenntnis stimmt

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Der Slogan „Kurze Beine – kurze Wege“ steht auf der Hitliste der bildungspolitischen Schlagworte ganz oben. Auch NRW-Schulministerin Löhrmann erklärt in einer Pressemitteilung am 4.9.2012: „Das Prinzip ‚Kurze Beine – Kurze Wege‘ gilt auch in Zukunft“. Tatsächlich schafft das vom Kabinett verabschiedete 8. Schulrechtsänderungsgesetz die gesetzliche Basis für den Erhalt kleiner Schulen. Da dies im Sinne aller ist, die nicht fixiert sind auf kurzfristige Haushaltskonsolidierung, gibt es Zustimmung von allen Seiten (z.B. von den Lehrerverbänden VBE und GEW, s. hier und hier).

Es bleibt allerdings nach wie vor dabei, dass die Schulweglänge in Nordrhein-Westfalen für viele Grundschüler davon abhängt, ob Sie die ‚richtige‘ Konfession für die nächstgelegene Schule haben. Weiterlesen

NRW-Piraten fragen nach Aufnahmekriterien an Bekenntnisgrundschulen

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12. August 2012

Eigentlich hatte die NRW-Piratin Monika Pieper eine ganz einfache Frage: Welche Aufnahmeregeln gelten eigentlich an jenem Drittel aller Grundschulen des Bundeslandes, die zwar Bekenntnisschulen sind, sich aber in staatlicher Trägerschaft befinden und ausschließlich aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden?

Seit dem Wegfall  der Schulbezirke für Grundschulen 2008 gibt es jedes Jahr Probleme, wenn Eltern ihre Kinder an der Grundschule anmelden. So manche Familie fiel seitdem aus allen Wolken, als sie den Platz an der nächstgelegenen Wunschschule nicht bekam, während weiter entfernt wohnende Kinder mit dem richtigen Bekenntnis einen Platz erhielten.

Das Schulgesetz legt in dieser Frage scheinbar eindeutig fest: „Jedes Kind hat einen Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität.“

Was aber, wenn es sich bei der gewünschten Schule um eine Bekenntnisschule handelt, das Kind aber nicht im Bekenntnis getauft ist?

Ausführlichere Regelungen enthält die Ausbildungsordnung Grundschule (AO-GS), die ausdrücklich festlegt, wie bei einem Anmeldeüberhang zu verfahren ist: Kinder mit Wohnsitz in der Gemeinde seien vorrangig zu berücksichtigen, ebenso wie Härtefälle. Ansonsten gelten die Kriterien Geschwisterkinder, Schulwege, Besuch eines Kindergartens in der Nähe der Schule, ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, und ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache.

Die Ausbildungsordnung Grundschule verliert also kein Wort über Religion und Bekenntnis.

An dieser Stelle setzt die Kleine Anfrage der Piraten an, auf die die Landesregierung am 7.8.2012 antwortete (Drucksache 16/499):

1. Kommen bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisgrundschule für das Schuljahr 2012/2013 ausschließlich die unter §1 Abs. 3 der Ausbildungsordnung Grundschule (AO-GS) genannten fünf Kriterien zum Tragen?

Antwort der Landesregierung:
Ja. 

Man sollte denken, dass sich damit die Beantwortung der beiden weiteren Fragen erübrigt, wenn doch ausschließlich diese Kriterien Gültigkeit haben. Tatsächlich und konsequent bleibt Frage 2 ohne Antwort:

2. Wenn andere Kriterien zum Tragen kommen, welche sind das?

In der Antwort auf Frage 3 erklärt die Landesregierung, wieso es zwar keine weiteren Kriterien für die Aufnahme an Bekenntnisschulen gibt, getaufte Kinder aber trotzdem vorrangig behandelt werden müssen:

3. Falls andere Kriterien zutreffen, wo sind eben diese Kriterien geregelt?

Antwort der Landesregierung:
Abgesehen von den Kriterien in § 1 Abs. 3 AO-GS haben bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisschule Kinder, die dem Bekenntnis angehören, bei der Aufnahme einen Vorrang gegenüber den anderen Kindern (Nr. 1.23 der Verwaltungsvorschriften zur AO-GS – BASS 13-11 Nr. 1.2). Diese Klarstellung ergibt sich aus den Merkmalen einer Bekenntnisschule, wie sie in Art. 12 Abs. 6 der Landesverfassung und § 26 Abs. 3 Schulgesetz (SchulG) bestimmt sind. Sie ist der Anwendung der Vorschriften des § 46 Abs. 3 SchulG und des § 1 Abs. 2 und 3 AO-GS vorgeschaltet.

Noch im März 2010 hat uns übrigens das Schulministerium als Antwort auf unsere Petition erklärt, eine Ablehnung von Kindern aufgrund ihrer Konfession sei dann nicht rechtens, wenn die Eltern ausdrücklich erklären, dass sie eine Unterrichtung und Erziehung im Schulbekenntnis wünschen. In der Stellungnahme des Ministeriums heißt es:
„Einen Anspruch auf Aufnahme [haben] zunächst nur diejenigen Kinder, die dem jeweiligen Bekenntnis angehören. Aus Gründen des Art. 4 GG sind diesen Kindern solche gleichzustellen, die ausdrücklich Unterricht und Erziehung in dem Bekenntnis wünschen. Bei einem Anmeldeüberhang ist richtigerweise zunächst die Konfessionszugehörigkeit der Aufnahmewilligen bzw. die Erklärung der Eltern, das Kind im Sinne des Bekenntnisses erziehen zu wollen, zu berücksichtigen.“

Der Kölner Rechtsanwalt Dr. Christian Birnbaum ist übrigens der Ansicht, dass die Konfession so oder so keine Rolle spielen darf:

“Insgesamt enthalten §§ 1 AO-GS, 1 APO-S I für das Aufnahmeverfahren abschließende Regelungen, so dass weitere, nicht aus diesen Regelungen hervorgehende Aufnahmekriterien nicht zulässig sind. Deshalb darf an staatlichen Schulen, auch an Bekenntnisschulen, die Konfession für die Aufnahmeentscheidung keine Rolle spielen. Die anders lautende Regelung in Nr. 1.23 S. 4 VVzAO-GS ist – wie auch die der Verwaltungsvorschrift entsprechende Behördenpraxis – rechtswidrig.”

Wir sind gespannt, ob sich die Piraten mit der Antwort der Landesregierung zufriedengeben.

Rechtliche Grundlagen
Hier die im Schreiben der Landesregierung genannten Rechtsgrundlagen in der Reihenfolge ihrer Nennung

§ 1 Abs. 3 AO-GS

Im Rahmen freier Kapazitäten nimmt die Schule auch andere Kinder auf. Bei einem Anmeldeüberhang führt die Schule ein Aufnahmeverfahren unter diesen Kindern durch. Dabei werden Kinder mit Wohnsitz in der Gemeinde vorrangig berücksichtigt. Die Schulleiterin oder der Schulleiter berücksichtigt Härtefälle und zieht im Übrigen eines oder mehrere der folgenden Kriterien für die Aufnahmeentscheidung gemäß § 46 Abs. 2 SchulG heran:
1. Geschwisterkinder,
2. Schulwege,
3. Besuch eines Kindergartens in der Nähe der Schule,
4. ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen,
5. ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache.

Nr. 1.23 der Verwaltungsvorschriften zur AO-GS

Die Wahl der Schulart steht den Eltern zu Beginn eines Schuljahres frei (§ 26 Abs. 5 SchulG).
In eine Bekenntnisschule darf ein Kind aufgenommen werden, wenn es entweder
a) dem entsprechenden Bekenntnis angehört oder
b) dem Bekenntnis nicht angehört, die Eltern (§ 123 SchulG) aber ausdrücklich übereinstimmend wünschen, dass es nach den Grundsätzen dieses Bekenntnisses unterrichtet und erzogen werden soll.
Im Ausnahmefall sind Kinder als Minderheit dann in eine Bekenntnisschule aufzunehmen, wenn eine öffentliche, ihrem Bekenntnis entsprechende Schule oder eine Gemeinschaftsschule auf dem Gebiet des Schulträgers nicht besteht oder nur bei Inkaufnahme eines unzumutbaren Schulweges erreichbar ist.
Bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisschule haben Kinder, die dem Bekenntnis angehören, bei der Aufnahme einen Vorrang gegenüber den anderen Kindern.

§26 Abs. 3 SchulG

In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen. Zum evangelischen Bekenntnis im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die bekenntnisverwandten Gemeinschaften.

§46 Abs. 3 SchulG

Jedes Kind hat einen Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität.

§1 Abs 2 AO-GS

Jedes Kind hat einen Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität (§ 46 Abs. 3 SchulG). Bei einem Anmeldeüberhang sind die Kriterien des Absatz 3 für die Aufnahmeentscheidung heranzuziehen.

Siehe dazu auch den Artikel Rechtsgrundlagen von Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen.