„Alle Kinder müssen alle staatlichen Schulen besuchen können!“

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Update 27.3.2014:
Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen und der Säkularen Grünen NRW zur Podiumsveranstaltung vom 18.3.2014 in Köln:
Alle Kinder müssen alle staatlichen Schulen besuchen können!

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„Wir brauchen keinen Eisernen Vorhang in den Gemeinden!“

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Mit diesen Worten wandte sich 1955 ein Schulleiter gegen die Pläne, eine Gemeinschaftsgrundschule in eine Bekenntnisschule umzuwandeln. Im Gegenzug warnte die katholische Kirche, Freunden der Gemeinschaftsschule drohe der „Zorn Gottes“. Der Ton hat sich geändert, mittlerweile schätzt die katholische Kirche das göttliche Temperament anders ein und ist bereit, Bekenntnisschulen aufzugeben.

In der Sache erinnert indes vieles noch heute an die Situation vor über 60 Jahren. Im Jahr 2013 führte erst die Klage einer Paderborner Familie gegen die Ablehnung ihres Sohnes an einer städtischen Bekenntnisschule dazu, dass sich der nordrhein-westfälische Landtag endlich der Thematik annimmt und eine konkrete Gesetzesinitiative ankündigt. Die Neue Westfälische Zeitung berichtet am 27.2.2014 über eine Veranstaltung mit der Grünen Landtagsabgeordneten Sigrid Beer. Sie stellt in Aussicht, dass noch vor dem Herbst das Schulgesetz geändert werden soll, um die Umwandlung von Bekenntnisschulen erheblich zu erleichtern. Offenbar soll dieser Weg sogar gegen die Stimmen der CDU eingeschlagen werden, die sich immer noch gegen Änderungen sperrt.

Hauptverfahren zu „Bülent“ vor dem VG Minden

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Am Freitag den 28.02.2014 wird um 12:00 Uhr das Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht Minden im Falle des muslimischen Paderborner Jungen fortgesetzt, der seit Beginn des aktuellen Schuljahres gezwungen ist, eine über vier Km von seinem Wohnort entfernte Grundschule zu besuchen, obwohl er in unmittelbarer Nähe einer städtischen Grundschule wohnt. Der Schulleiter hatte ihn am Einschulungstag gemeinsam mit seinen Eltern des Schulhofs verwiesen und ein Hausverbot erteilt, nachdem die Eltern der geforderten Teilnahme ihres Sohnes am katholischen Religionsunterricht und an katholischen Gottesdiensten nicht zugestimmt hatten. Weiterlesen

Wie kurze Wege der Bildungsgerechtigkeit dienen

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Sämtliche im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sind sich einig: „Alle Kinder sollen ungeachtet ihres kulturellen Hintergrundes gemeinsam unterrichtet werden.” Die deutsche Bildungsrealität sieht anders aus. In einem Artikel auf Migazin.de über Segregation im Klassenzimmer untersucht Autorin Gabriele Voßkühler Ursachen und Folgen des Phänomens, dass in Deutschland Kinder häufig „nach Herkunft getrennt“ zur Schule gehen. Weiterlesen

Was der Landtag NRW zu Bülent sagt

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Neues aus Paderborn und aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen

27.11.2013

Seit Bülent am Einschulungstag des Schulhofs verwiesen wurde, hat sich die Situation an der Paderborner Bonifatiusschule verschärft: Die Schule zwingt nun ALLE Kinder ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit, den katholischen Religionsunterricht zu besuchen – auch jene, die bislang davon befreit waren, nachdem deren Eltern in den Vorjahren entsprechende Abmeldeformulare unterschrieben hatten. Wir erinnern uns, es handelt sich um eine öffentliche katholische Grundschule, an der nur 45% der Kinder katholisch sind. Offenen Widerstand von Seiten der betroffenen Eltern gibt es nicht. Sie haben Angst, dass ihre Kinder andernfalls den Platz an der Schule verlieren. Die Angst ist begründet, schließlich erklärte das Schulministerium in einem Runderlass vom 5.11.2013 unmissverständlich: „Erklären die Eltern bei der Anmeldung, ihr Kind solle am Religionsunterricht im fremden Bekenntnis nicht teilnehmen, ist die Aufnahme in die Schule nicht möglich.“ In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Versuche, Kinder in ähnlichen Fällen der Schule zu verweisen, auch wenn sie diese bereits seit Jahren besuchten (siehe zum Beispiel die Fälle von Fabian oder Zeynep).

Einige Eltern begannen derweil den Versuch, ihre Schule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln. Dieses Recht wird ihnen vom Schulgesetz ausdrücklich zugesichert. Die daran beteiligten muslimischen Mütter wurden nach uns vorliegenden Berichten von anderen Eltern jedoch angefeindet und ließen daher von ihrem Vorhaben ab.

Während sich also in Paderborn die Lage auf der Ebene einzelner öffentlicher Bekenntnisgrundschulen verschlechtert hat, wurde das Thema am 20. Oktober im Schulausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalen behandelt. Schulministerin Löhrmann wies dabei auf die oben bereits erwähnte Schulmail hin, deren Grundsätze gemeinsam mit den Kirchen erarbeitet worden seien.

Im Anschluss berichteten Abgeordnete von SPD und Grünen, sie seien mit Kirchenvertretern im Gespräch zum Thema. Sie berichteten, dass die Kirchen in diesen Gesprächen selbst einräumten, dass es Handlungsbedarf im Sinne einer Neuregelung gebe. Die Kirchen wollten bis Februar 2014 eine gemeinsame Stellungnahme erarbeiten. Wenn diese vorliege, solle es durch die Fraktionen eine Gesetzesinitiative geben.

Eine Streichung der Bekenntnisschulen aus der Landesverfassung ist momentan nicht abzusehen: Sowohl Armin Laschet (CDU) als auch Christian Lindner (FDP) schrieben uns als Vorsitzende ihrer Parteien, dass sie eine Abschaffung öffentlicher Bekenntnisschulen ablehnen. Der CDU-Landesvorsitzende zitiert dazu aus einem CDU-Beschluss von 2011: „Die bestehenden Bekenntnisschulen erfahren insbesondere auch bei bekenntnisfremden Eltern große Akzeptanz.“ Diese Aussage erscheint allerdings angesichts der Situation in Paderborn weltfremd. Interessant ist die Reaktion der Spitzen von SPD und Grünen: Kraft und Löhrmann ließen den an sie gerichteten Brief der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ kurzerhand durch den für Staatskirchenrecht zuständigen Ministerialrat beantworten. Dieser belehrte uns: Unsere Forderungen seien mit den durch Landesverfassung und Schulgesetz bestimmten Merkmalen von Bekenntnisschulen nicht vereinbar. Richtig. Genau darum hatten wir den Parteivorsitzenden auch geschrieben, wir wollen, dass sich die Parteien und unsere Volksvertreter für eine Änderung der diskriminierenden Gesetze einsetzen.

Wir hatten geschrieben:

Wir appellieren dringend an Sie und alle demokratischen Kräfte im Landtag, sicherzustellen, dass ein Fall wie jener in Paderborn nicht mehr vorkommen kann. Es muss gewährleistet sein, dass Familien ihre Kinder gemeinsam mit anderen Kindern aus der unmittelbaren Nachbarschaft in die gleiche Grundschule schicken können. Unser öffentliches Schulsystem muss konfessionelle und religiöse Grenzen überwinden. Es widerspricht dem Inklusionsgedanken, wenn an öffentlichen Schulen das gemeinsame Lernen an Konfessionsgrenzen Halt macht. Ebenso muss sichergestellt sein, dass Glaube und Religionszugehörigkeit von Lehrkräften keinen Einfluss auf deren Anstellungschancen und die Wahrnehmung von Leitungspositionen haben.

Wir wiederholen an dieser Stelle unsere Bitte, die Familie von Bülent bei den Prozesskosten von bislang knapp 2.000€ zu unterstützen. 500€ konnten bereits gesammelt werden. Jede Spende hilft, auch 5 oder 10 Euro! Näheres unter www.betterplace.org/de/projects/14662-prozesskostenunterstutzung-fur-bulents-familie
Gerade läuft übrigens die Haupverhandlung an, wir werden hier über den Fortgang berichten.

Übergabe der Petition für Bülent an Sigrid Beer

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Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer der ‚Petition für Bülent‘!

Übergabe der Petition für Bülent an Sigrid Beer

Übergabe der Petition für Bülent an Sigrid Beer

Paderborn. Am Samstag, den 21.9.2013 wurde unsere Petition mit 2.283 Unterschriften an Sigrid Beer als Stellvertreterin der Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen übergeben. Beer ist nicht nur Paderborner Landtagsabgeordnete, sondern auch parlamentarische Geschäftsführerin und schulpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag. Sie erklärte sich bereit, das Anliegen der Unterzeichner nach Düsseldorf zu überbringen. Vorgenommen wurde die Übergabe von Michael Schäder, Stadtschulpflegschaftsvorsitzender in Paderborn, gemeinsam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Integrationsrates, Sohail Ahmed. Weder die Schulleitung der Bonifatiusschule noch die Schulaufsicht noch das Schulverwaltungsamt waren bereit gewesen, die Petition persönlich entgegenzunehmen.

Bei der Übergabe betonte Schäder, dass er sich eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen wünsche. Es sei nicht einzusehen, warum in staatlichen Schulen Kinder nach Religionszugehörigkeit getrennt würden. Ebenso sei es falsch, dass staatliche Schulen Kinder zur Teilnahme an Religionsunterricht oder Gottesdiensten verpflichteten, obwohl das Grundgesetz diese Entscheidung explizit den Eltern überlasse.

Sohail Ahmed verwies darauf, dass der aktuelle Fall nur die Spitze des Eisbergs darstelle: Viele Kinder in Paderborn besuchten unfreiwillig eine weit entfernte Grundschule, weil sie an der nächstgelegenen Grundschule nur unter der Bedingung der Teilnahme an Religionsunterricht und Gottesdienst aufgenommen würden. Viele andere andersgläubige Eltern ließen ihre Kinder notgedrungen am katholischen Religionsunterricht teilnehmen, da sie nicht die Möglichkeit hätten, ihre Kinder quer durch die Stadt zur Schule zu begleiten.

Frau Beer versicherte den Petenten, dass die Geschehnisse in Paderborn im Düsseldorfer Landtag aufmerksam verfolgt würden. Sie betonte, dass sie sich einen anderen Verlauf der Auseinandersetzung gewünscht hätte. Die Eskalation sei nicht nötig gewesen. Bis zum Schluss habe sie sich für die Aufnahme von Bülent als Gastschüler eingesetzt. Des Weiteren verwies sie auf ihre seit langem andauernden Bemühungen um eine gesetzliche Neuregelung im Einvernehmen mit den Kirchen. Sie sei zuversichtlich, dass man in absehbarer Zeit eine positive Lösung präsentieren könne, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtige. Allerdings müsse man behutsam vorgehen, da man niemand vor den Kopf stoßen wolle.

Was ist aus Bülent geworden?

Vor drei Wochen hätte Bülent gemeinsam mit seinen Kindergartenfreunden an der Bonifatiusschule eingeschult werden sollen. Der Schulleiter der städtischen katholischen Bekenntnisschule lehnte die Aufnahme des Jungen ab, weil die Eltern nicht bereit waren, auf ihr Grundrecht zu verzichten, ihren Sohn vom Religionsunterricht abzumelden. Sie waren – anders als das Oberverwaltungsgericht NRW – der Ansicht, dass ein 50-minütiger Schulweg zu einer Gemeinschaftsgrundschule im Stadtgebiet von Paderborn mit seinen 23 öffentlichen Grundschulen unzumutbar ist.

Am Einschulungstag wurde Bülent unter Verweis auf das Hausrecht mit seinen Eltern des Schulhofs verwiesen. Er und seine Schwester besuchen mittlerweile eine andere Schule. Ihr Schulweg beträgt jetzt 4,5 km statt 200 m. Die sechs wohnortnächtsen Grundschulen sind öffentliche katholische Schulen, in denen die Kinder Religionsunterricht in einem Bekenntnis besuchen müssten, dem sie nicht angehören. Bülents Eltern erwägen, wegen der schwierigen Erreichbarkeit der neuen Schule nach 10 Jahren aus ihrem Stadtteil wegzuziehen.

Direkt neben Bülents neuer Schule, einer Gemeinschaftsgrundschule, liegt eine katholische Bekenntnisschule. Die beiden Schulen sind in einem Gebäudekomplex untergebracht: Aula, Sporthalle und Speiseraum werden gemeinsam genutzt. Bülents Vater erzählt: „Die Migrantenkinder gehen überwiegend durch die rechte Tür in die Gemeinschaftsschule, die ‚einheimischen‘ Kinder überwiegend durch die linke Tür in die Bekenntnisschule. Meinen Kindern fiel das sofort auf: ‚Papa, in meiner Klasse sind ganz viele Kinder mit türkischem Namen‘.“ Bülent selbst ist in Paderborn geboren, er ist deutscher Staatsbürger. Auch an der neuen Schule lernt Bülent, dass die Forderung aller im Bundestag vertretenen Parteien nicht Realität ist, sondern weiterhin ein politischer Auftrag an unsere Volksvertreter bleibt: „Alle Kinder sollen ungeachtet ihres kulturellen Hintergrundes gemeinsam unterrichtet werden.”

Auf dem Elternabend erfuhr Bülents Vater vergangene Woche, dass der Stadtrat vor zwei Jahren beschlossen hat, die beiden Schulen aus organisatorischen Gründen zusammenzulegen. Laut Schulentwicklungsplan soll der Zusammenschluss 2016/17 stattfinden. Es ist nicht auszuschließen, dass die neue Schule eine katholische Bekenntnisschule wird. Bülents Familie rätselt jetzt schon, ob sie zur Einschulung von Bülents kleinem Bruder, die 2019 ansteht, erneut umziehen muss, wenn sie von ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit Gebrauch machen will.

Mit Bülents Familie hoffen wir noch immer auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die unserem Rechtsempfinden besser entspricht. Bis jetzt wurden lediglich Eilentscheidungen getroffen, die das Verfahren in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Der Familie sind durch das Verfahren aber bereits erhebliche Anwalts- und Gerichtskosten entstanden.

Die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ möchte Bülents Familie bei den Prozesskosten unterstützen.

Jede Spende hilft, auch 1, 2 oder 5 Euro!

Näheres hierzu unter http://www.betterplace.org/de/projects/14662-prozesskostenunterstutzung-fur-bulents-familie

Wir werden Sie weiterhin über die Entwicklung auf dem Laufenden halten, über den Petitionsblog unter www.openpetition.de/petition/blog/buelent-soll-mit-seinen-freunden-auf-die-grundschule-in-seiner-nachbarschaft-gehen-duerfen ebenso wie auf der Webseite der Initiative unter www.kurzebeinekurzewege.de

Herzlichen Dank an alle Unterstützer der Petition für Bülent

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Email vom 08.09.2013 an alle Unterstützer der Petition für Bülent

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer!

Am Montag früh endet die Petition, mit der wir erreichen wollten, dass Bülent mit seinen Kindergartenfreunden die Grundschule in seiner Straße besuchen darf. Mittlerweile ist klar, dass unser Anliegen gescheitert ist. Ein Eilentscheid des OVG Nordrhein-Westfalen hatte am Mittwoch bestätigt, dass der Schulleiter Bülent nicht aufnehmen musste. Die Entscheidung in der Hauptsache steht immer noch aus.

Am Donnerstag war der erste Schultag. Bülent wurde von seiner Familie trotz alledem zur Bonifatiusschule gebracht. Sie vertrauten unter anderem aufgrund vorangegangener Gespräche mit dem Schulleiter darauf, dass Bülent mit allen anderen Kindern aus seinem Kindergarten auf der Bonifatiusschule eingeschult werden würde, wenn auch nur vorläufig als Gastschüler. Es kam anders: Der Schulleiter und ein Schulamtsdirektor verwiesen Bülent und seine Eltern nach der Einschulungsfeier des Schulhofes, gerade als Bülent mit seinen neuen Klassenkameraden in die Klasse gehen wollte. Wenn die Eltern damit gerechnet hätten, dass es so kommen würde, hätten sie es Bülent und sich erspart. Die christliche Nächstenliebe ist in Paderborn an einer katholischen Grundschule unter die Räder geraten.

Im Namen von Bülents Familie und der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ darf ich Ihnen allen für die überwältigende Unterstützung danken. Innerhalb von nur 6 Tagen sind weit über 2.000 Unterschriften zusammengekommen. Hunderte von Kommentaren haben uns und der Familie Mut gemacht. Ganz offensichtlich sind nicht nur wir der Meinung, dass das Handeln der Schulbehörden und die zugrundeliegenden Regelungen nicht mehr in unsere Zeit passen und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Auch für viele unter Ihnen ist es mit christlichen Werten und dem Grundsatz der Religionsfreiheit nicht vereinbar, wenn ein Kind aufgrund seiner Religion von einer öffentlichen, vollständig staatlich finanzierten Grundschule in seinem Stadtviertel ausgegrenzt wird.

Die Petition berührt zwei große Diskussionsthemen, die seit Jahren in Deutschland eine große Rolle spielen. Das Thema Trennung von Kirche und Staat sowie das Thema Integration. Wie stark emotional besetzt diese Themen sind, zeigten uns Beiträge von Unterstützern und Gegnern der Petition auf der Debattenseite der Petition sowie Zuschriften an unsere Initiative. Aus unserer Sicht bleibt Integration ein Lippenbekenntnis, wenn Kinder bereits an staatlichen Schulen aus religiösen Gründen nicht gemeinsam lernen können.

In Fall von Bülent handelte es sich um eine muslimische Familie, die Eltern sind seit Jahren im interreligiösen Dialog in Paderborn engagiert. Wir haben seit 2009 als Initiative aber auch viele evangelische und bekenntnislose Fabians und Claras kennengelernt und unterstützt, deren Eltern dann zum Teil gegen ihre Überzeugung eine Einverständniserklärung unterschrieben, damit ihr Kind die nächstgelegene katholische oder auch evangelische staatliche Grundschule besuchen konnte. Wir lernten Lehrerinnen und Lehrer kennen, die an ihrer Schule keine feste Stelle bekommen konnten, weil sie nicht das richtige Bekenntnis hatten. Wir begleiteten eine evangelische Lehrerin, der nach jahrelanger kommissarischer Leitung einer katholischen Bekenntnisschule die Schulleitungsstelle verweigert wurde. Sie erkrankte nach ihrer Ablehnung und kann bis heute ihren Beruf nicht mehr ausüben.

Wir danken Bülents Familie, dass sie diesen steinigen Weg auf sich genommen hat, um für ihr Recht auf Gleichbehandlung zu streiten. Wir werden die Familie auch weiterhin unterstützen.

In praktisch allen anderen Bundesländern spielt die Religion bei der Aufnahme von Kindern an staatlichen Grundschulen und bei der Besetzung von Lehrer- bzw. Schulleitungsstellen keine Rolle. Politikerinnen und Politiker aller Parteien in NRW haben bisher versagt, eine Gleichbehandlung sicher zu stellen. Diese Gleichbehandlung fordern wir weiterhin ein! Wir suchen das Gespräch mit allen Parteien in NRW und mit anderen politisch engagierten Gruppen und sind überzeugt, dass diese Ungleichbehandlung aus religiösen Gründen überwunden werden wird. Wir sind dankbar für Ihre Unterstützung auf diesem Weg und hoffen, dass Sie uns auch weiterhin begleiten werden.

Bleiben Sie über www.kurzebeinekurzewege.de oder kontakt@kurzebeinekurzewege.de in Kontakt.

p.s.
Bülent am Nachmittag der gescheiterten Einschulung zu seiner Mutter: „Mama, wenn ich groß bin, will ich Schulleiter werden. Dann lasse ich alle Kinder in die Schule.“

p.p.s
Die Eltern von Bülent haben uns ihren Dank an alle Unterzeichner übermittelt:

„Wir danken der Elterninitiative ‚Kurze Beine – Kurze Wege#, die sich seit Jahren unermüdlich für die gleichberechtigte Bildung aller Kinder in NRW einsetzt. Sodann wollen wir allen Unterzeichnern dieser Petition unseren herzlichen Dank ausdrücken für Ihre menschliche Solidarität und Unterstützung. In einem wirklich sehr schwierigen Moment, in dem wir unsere Hoffnung fast verloren hatten, hat uns Ihre Unterstützung und Ihr Zuspruch große Kraft und wieder Mut gegeben. Es hat uns zutiefst gerührt, wie unser Anliegen Menschen verschiedenster Sozialisation, Herkunft und unterschiedlichster Religion bzw. ohne Religion zusammengebracht hat. Wir wünschen, dass diese Solidarität und dieses Verständnis auf Basis universeller menschlicher Werte sich viel häufiger in der Welt durchsetzt.“

Bülent darf nicht mit seinen Kindergartenfreunden auf die Bonifatiusschule

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Kurze Wege für Kurze Beine5.9.2013, 0:15

Es bleibt dabei. Kein Platz für Bülent auf der Grundschule in seinem Viertel

Am 5.9. war in Nordrhein-Westfalen Einschulung. Bis zuletzt hatten Bülents Eltern gehofft, dass ihr Sohn auf der Schule in seiner Straße eingeschult werden könnte, die seine Schwester bereits besucht. Zumindest vorläufig, gegebenenfalls würde er eben den Religionsunterricht besuchen. Es sollte nicht sein: Dieser erste Schultag fand für Bülent nicht statt, obwohl er bereits auf der Klassenliste stand. Daran änderten auch die 1700 Unterstützer nichts, die innerhalb von vier Tagen durch die Petition gefunden wurden. Der Schulleiter nahm sein Recht wahr, Bülent abzulehnen, und setzte es auch durch. Seine Eltern werden nunmehr eine andere Schule für ihre Kinder suchen müssen.

Überraschend ist eine Erläuterung in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zur Schulartänderung. Der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ war immer gesagt worden, den Kommunen seien die Hände in der Gestaltung dieses Aspekts der Schullandschaft gebunden, eine Umwandlung könne nur durch Eltern erfolgen. Das OVG erläutert nun, eine Umwandlung könne „der Rat des Schulträgers durch einen Organisationsbeschluss … von Amts wegen und freiwillig herbeiführen“. Nach Auskunft des Schulministeriums gehörten im Schuljahr 2012/2013 an 54 evangelischen und an 263 katholischen Bekenntnisgrundschulen in öffentlicher Trägerschaft weniger als 50% der Schülerinnen und Schüler dem jeweiligen Schulbekenntnis an. Das sollte als Begründung genügen, ein Drittel aller Bekenntnisschulen von Amts wegen umzuwandeln, um wenigstens dort die Diskriminierung zu beenden.

Zur Petition für Bülent:

https://www.openpetition.de/petition/online/buelent-soll-mit-seinen-freunden-auf-die-grundschule-in-seiner-nachbarschaft-gehen-duerfen

Hintergrundinformationen und Presseberichte:

Was Rosa Parks mit Paderborns Bonifatiusschule verbindet

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4.9.2013, 21:30

OVG NRW: Diskriminierung von Grundschülern aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ist erlaubt

Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Eilentscheid klargestellt: Es ist in Nordrhein-Westfalen mit Recht und Gesetz vereinbar, dass die Bonifatiusschule Paderborn die Aufnahme eines Schulanfängers ablehnt, weil er muslimisch ist.

Die  Bonifatiusschule ist eine öffentliche katholische Bekenntnisschule, an der aber nur 42,5% der Schülerinnen und Schüler katholisch sind. 15 von 23 Grundschulen in Paderborn sind solche Schulen. Sie befinden sich in Trägerschaft der Stadt und werden zu 100% öffentlich aus allgemeinen Steuergeldern finanziert. Es fließt kein Cent aus Kirchensteuermitteln in diese Schulen.

Auf ihrer Homepage schreibt die Schule: „Wir begreifen es als bedeutende Aufgabe, unsere Schüler/innen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft, die in vielschichtigen Traditionen verwurzelt sind, zusammenzuführen.“ Bülent (Name geändert) hat auf dieser Schule keinen Platz, weil er Muslim ist. Oder besser: Weil sein Vater nicht bereit ist, zu unterschreiben, dass Bülent den katholischen Religionsunterricht an der Schule besuchen muss. Bülents Schwester, die jetzt in die dritte Klasse kommt, muss übrigens nicht in den Religionsunterricht, ebenso wie viele andere Kinder. Bis vor kurzem hat die Schule sogar noch Abmeldeformulare dafür ausgeteilt.

Bülent soll auf die Grundschule seiner Schwester gehen dürfenUnd jetzt? Die Stadt kann der Kirche nicht wie in Königswinter kündigen. Schließlich ist sie selbst Trägerin der Schule. Das OVG kritisiert die Stadt für ihre Schullandschaft und sagt, die Schulart müsse vom Stadtrat förmlich geändert werden. Aber wie? Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage, laut Schulgesetz können nur Eltern eine Schule umwandeln – wenn 2/3 aller Eltern dies wollen. In den meisten Fällen ist das eine astronomisch hohe Hürde.

Was das alles mit Rosa Parks zu tun hat? Die Afro-Amerikanerin wurde am 1. Dezember 1955 in Alabama verhaftet, weil sie sich weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast freizugeben. Die Verhaftung war nach damaliger Gesetzeslage korrekt. Wir wissen heute, dass sie Recht hatte, obwohl sie damals im Unrecht war. Ihre Weigerung, aufzustehen, gilt als Anfang der Bürgerrechtsbewegung. An deren Ende stand die Gleichberechtigung schwarzer Amerikaner.

Zur Petition für Bülent:

https://www.openpetition.de/petition/online/buelent-soll-mit-seinen-freunden-auf-die-grundschule-in-seiner-nachbarschaft-gehen-duerfen

Hintergrundinformationen:

Bülent soll mit seinen Freunden auf die Grundschule in seiner Nachbarschaft gehen dürfen

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aktualisiert 4.9.2013, 18:10

Für alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien  ist klar:

„Alle Kinder sollen ungeachtet ihres kulturellen Hintergrundes gemeinsam unterrichtet werden.“

Im Wahl-o-mat zur Bundestagswahl beziehen die demokratischen Parteien klar Stellung: „Das Miteinander ist Voraussetzung einer offenen und toleranten Gesellschaft” (FDP) und „Gemeinsamer Unterricht ist ein wichtiges Element unserer Integrationspolitik. Kinder sollen ungeachtet ihrer Herkunft gefördert werden” (CDU). Die Grünen betonen: „Wir wollen keine Sonderung der SchülerInnen nach Sozialstatus, Herkunft der Eltern, Religion oder anderen Merkmalen.“

In NRW gilt all das nicht. Der Schulleiter der Paderborner Bonifatiusschule verweigert dem 6-jährigen Bülent (Name geändert) die Aufnahme, weil er nicht katholisch ist. Statt mit seiner Schwester 5 Minuten zur Schule zu gehen, muss er ab Donnerstag mit dem Bus quer durch die Stadt zur nächstgelegenen Gemeinschaftsgrundschule fahren. Die Fahrt dauert 50 Minuten – pro Weg.

Bülent soll auf die Grundschule seiner Schwester gehen dürfenDas Verwaltungsgericht Minden hat am 30.8.2013 in einem Eilentscheid festgestellt, dass es davon ausgeht, dass diese Ablehnung mit Recht und Gesetz in Nordrhein-Westfalen vereinbar ist. Diese Einschätzung wurde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen am 4.9. bestätigt.

Wie das sein kann? Die Bonifatiusschule ist formal eine öffentliche Katholische Bekenntnisschule, die zwar vollständig staatlich finanziert ist, an der aber alle Lehrerinnen und Lehrer katholisch sein müssen. Eltern müssen seit kurzem an dieser Schule unterschreiben, dass sie mit Unterrichtung und Erziehung im katholischen Bekenntnis einverstanden sind und explizit auch mit der Teilnahme am katholischen Religionsunterricht – andernfalls werden die Kinder nicht aufgenommen. Und dazu ist der Vater von Bülent nicht bereit.

An der Schule sind lediglich 42% der Kinder katholisch, die Schule ist schon lange nur noch dem Namen nach katholisch. Bislang war es möglich, sich per Standardformular vom Religionsunterricht abzumelden.

Der Fall erinnert an die Kündigung einer Kindergartenleiterin durch die katholische Kirche in Königswinter. Auch das war offenbar mit dem deutschen Recht vereinbar. Aber dort entschied der Stadtrat kurzerhand, der katholischen Kirche die Trägerschaft zu entziehen.

Helfen Sie mit, dass Bülent mit seiner Schwester und seinen Kindergartenfreunden die Bonifatiusschule besuchen kann! Sagen Sie dem Schulleiter der Bonifatiusschule, der Stadt Paderborn und der Bezirksregierung mit ihrer Unterschrift Ihre Meinung: Schließlich sagt das Gericht zwar, dass die Schule Bülent die Aufnahme verweigern darf. Aber nicht, dass sie das tun muss.

Zur Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/buelent-soll-mit-seinen-freunden-auf-die-grundschule-in-seiner-nachbarschaft-gehen-duerfen

Hintergrundinformationen: