Schulministerin Löhrmann begründet, warum eine Umwandlung von Bekenntnisschulen nicht erleichtert werden sollte

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Aus dem Wahlprogramm der Grünen von 2010:

“Bei der Aufnahme an den Grundschulen dürfen Kinder nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert werden.”

Die Schulministerin und erneute Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann (katholisch) fühlt sich daran nicht gebunden. Sie findet, dass die extrem hohe Hürde für die Umwandlung von Bekenntnisgrundschulen in Gemeinschaftsgrundschulen in Nordrhein-Westfalen auf gar keinen Fall gesenkt werden darf. Ihre 5 dämlichsten Begründungen lauten:

1) „Die Absenkung des Quorums bei den Grundschulen wäre vermutlich mit einem erheblichen Konflikt mit den Kirchen, vor allem der katholischen Kirche verbunden.“ (Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Dagegen kann man nichts sagen: Etwas fordern, obwohl es der Kirche, womöglich sogar der katholischen, nicht passen könnte? Ausgeschlossen. Zumal für eine gläubige Katholikin. Man stelle sich nur vor, das wäre in der Vergangenheit so gehandhabt worden: Womöglich würde heute in der Schule gelehrt, dass die Erde rund ist und sich Menschen und Affen im Zuge der Evolution aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben. Oder es gäbe Sexualkundeunterricht. Pfui Teufel.

2) „Der Gesetzgeber hat im Schulgesetz bei den Grundschulen im Interesse eines stabilen Angebots unter­schiedlicher Schularten hohe Hürden für die Umwandlung der Schulart gesetzt.“  (Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Stimmt. Wenn man das Quorum absenkt, würde womöglich ab und zu eine Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umgewandelt, nur weil eine Mehrheit der betroffenen Eltern das möchte: z.B. die KGS Kettelerschule in Bonn-Dransdorf im März 2012, die KGS Buschdorf, oder die KGS Kapellenschule in Gütersloh, die KGS Liebfrauenschule in Emmerich, etc.

Und das gegen den Willen der Kirche? Aber: „Kirche ist keine Demokratie“, warum sollte also ein einfaches Mehrheitsrecht an Bekenntnisschulen gelten? So was neumodisches gibt es in vollständig öffentlich finanzierten Kirchenkindergärten ja auch nicht.

3) „Die Absenkung des Quorums bei den Grundschulen […] würde im Landtag einen Konsens voraus­setzen, wie er […] derzeit nicht besteht.“
(Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Eine politische Forderung erheben, die nicht durch einen breiten Konsens abgesichert ist? Nee klar, geht gar nicht. Das lernt doch jedes Kind in der Schule: Politik setzt voraus, dass man sich vorher beim Ringelpiez mit Anfassen darauf geeinigt hat. So haben die Grünen den Ausstieg aus der Atomenergie erreicht, nicht anders haben die Bürgerrechtler den Fall der Mauer mit der SED klargemacht und so hat wahrscheinlich auch Helmut Kohl die Bekenntnisschulen in Rheinland-Pfalz abgeschafft.

Das leuchtet doch jedem ein: Sonst könnte man ja womöglich Widerspruch ernten und sich streiten. Oder sogar ein oder zwei katholische Wählerstimmen verlieren? Und mal ganz im Ernst: Das Parteiprogramm oder das Wahlprogramm liest doch eh keiner.

4) „Das Quorum […] ist gesetzlich im Schulgesetz geregelt.“
(Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW) – siehe auch die immer gleich lautende Antwort vieler Beamter aus dem Schulministerium unter Sommer (CDU, 2005-2010) und Löhrmann (seit 2010) in Beantwortung von Briefen der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“.

Ja genau, wo kämen wir denn da hin, wenn der Gesetzgeber einfach so Gesetze ändern würde, nur weil sich die Bedingungen geändert haben? Die katholische Kirche lässt ja auch nicht einfach von heute auf morgen Frauen zum Priesteramt zu.

5. Es gibt doch ohnehin schon so viele Gemeinschaftsgrundschulen. Auch in Bonn.
(sinngemäß: Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Genau. Weil zwei Drittel der Grundschulen in NRW ohnehin Gemeinschaftsgrundschulen sind, kann sich doch von Bekenntnisgrundschulen keiner diskriminiert fühlen. Im Gegenteil: Sie müssen unter Schulartenschutz gestellt werden!

Alle Zitate von Sylvia Löhrmann entstammen einem Schreiben der Schulministerin vom 1. März 2012.

 

Hintergrund:

Schulgesetz §27 Abs. 3 legt fest:

(3) Bestehende Grundschulen sind in eine andere Schulart umzuwandeln, wenn die Eltern eines Fünftels der Schülerinnen und Schüler der Schule dies beantragen und wenn sich anschließend die Eltern von zwei Dritteln der Schülerinnen und Schüler in einem Abstimmungsverfahren dafür entscheiden.

Nicht abgegebene Stimmen werden aufgrund dieser Regelung faktisch als Gegenstimmen gewertet: Wenn etwa die Eltern von Viertklässlern, die eine Umwandlung gar nicht mehr betrifft, aus Desinteresse nicht an der Abstimmung teilnehmen, können Sie damit eine Umwandlung verhindern – ebenso wie Eltern, die womöglich aus sprachlichen Gründen den Sachverhalt nicht verstehen oder sowieso nie zu einer Schulveranstaltung kommen.

Im Bereich der Hauptschulen wurde übrigens bereits 1968 in NRW ein Schulkompromiss gefunden. Danach genügte fortan ein Drittel der Stimmen für die Umwandlung.

§28 Bestimmung der Schulart von Hauptschulen

(2) Bestehende Hauptschulen sind in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln, wenn die Eltern eines Fünftels der Schülerinnen und Schüler dies beantragen und sich anschließend die Eltern eines Drittels der Schülerinnen und Schüler in einem Abstimmungsverfahren dafür entscheiden.

Ausgehandelt wurde diese Regelung damals von SPD, CDU und FDP (siehe http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46252029.html, wir legen Frau Löhrmann diesen Artikel sehr ans Herz, da er verdeutlicht, dass Kompromisse nicht auf einem Konsens beruhen müssen). Der damalige SPD-Fraktionschef Johannes Rau: „Es gehört zu einem Kompromiß, daß alle Parteien unzufrieden sind.“ Weiter wird er übrigens zitiert, er sei nicht sicher, ob seine Fraktion statt des langsamen Aussterbens der Konfessionsschulen nicht lieber deren schnellen Tod will.

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