Katholischer Gottesdienst als schulische Pflichtveranstaltung für alle Kinder?

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Richtigstellung vom 22.1.2015:

In unserem Artikel vom 17.11.2014 äußerten wir die Vermutung, dass das katholische Schulreferat für die Verschärfung des Schulprofils verantwortlich sei.  Heute wurden wir darauf hingewiesen, dass das „Katholische Schulreferat […] am Vorgehen der Schule in keiner Weise beteiligt“ gewesen sei. Vielmehr habe sich das Referat Anfang Januar 2015 bei der Schulleitung ausdrücklich für eine Beibehaltung der bisher geltenden Regelungen der als „Flächendeckenden KGS“ geführten Schule eingesetzt. Das Schulreferat gehe davon aus, dass Schülerinnen und Schüler an der besagten Schule auch weiterhin nicht zur Teilnahme an Religionsunterricht und Schulgottesdienst gezwungen würden.


Bonn, 17.11.2014

Eine Schule für alle Kinder im Ortsteil. Das war die „Katholische Grundschule Waldviertel“ (Name geändert) seit jeher. Sie ist die einzige Grundschule in dem bei Familien beliebten Ortsteil einer mittelgroßen Stadt in NRW. Zwar ist sie dem Namen nach eine konfessionelle Grundschule. Sie wurde aber mit ausdrücklicher offizieller Billigung der Kommune schon seit langem nicht wie eine konfessionelle Grundschule geführt. Bis zur Aufhebung der Schulbezirke stand sie allen Kindern der Nachbarschaft unabhängig von Religion und Bekenntnis offen: Neben dem katholischen Religionsunterricht gab es evangelischen Religionsunterricht, Kinder anderer Bekenntnisse und Religionen oder solche ohne Bekenntnis mussten nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Es gab evangelische und katholische Gottesdienste für die jeweiligen Kinder. Die anderen Kinder kamen später oder wurden in der Schule betreut.

Jetzt will das katholische Schulreferat offenbar das religiöse Profil der Schule schärfen. Am Vorabend des letzten Schulgottesdienstes erhielten die Klassenpflegschaftsvertreter ein Schreiben, wonach alle Kinder, die nicht evangelisch seien, ab sofort verpflichtend in den katholischen Schulgottesdienst gehen müssten. Diese Regelung gelte für alle zukünftigen Schulgottesdienste.

Die Elternvertreter können das kaum glauben. Eine Anfrage beim Schulministerium trägt wenig zur Klärung der Angelegenheit bei.  In der Antwort heißt es:

„Schulgottesdienste sind grundsätzlich als Schulveranstaltungen anzusehen und als solche Teil des Schullebens, vgl. RdErl. v. 13.04.1965.

Die Teilnahme an kirchlichen Handlungen ist jedoch freiwillig und bei nicht religionsmündigen Kindern vom Einvernehmen der Eltern abhängig. Dies gilt unabhängig von der Schulart.

Naheliegend gehört bei Bekenntnisschulen auch die Einbeziehung von gemeinsamen Gottesdiensten zum spezifischen Profil. Dieses Profil muss auch von bekenntnisfremden Eltern – als Voraussetzung für den Schulbesuch ihrer Kinder – grundsätzlich bejaht werden. Dies ändert allerdings nichts an dem oben zur Freiwilligkeit einer Gottesdienstteilnahme Gesagten. Es sollte aber die Beteiligten, Schulleitung wie Eltern, verpflichten, eine einvernehmliche Lösung zumindest zu suchen.“

Rechtlich ist die Situation klar: Gottesdienstbesuche sind kirchliche Handlungen, deren Besuch auch für Kinder an öffentlichen Bekenntnisschulen nicht zur Pflicht gemacht werden kann. Dennoch wird versucht, Druck auszuüben und die Kinder und ihre Eltern vor vollendete Tatsachen zu stellen.

So weit, so verwunderlich. In besonderem Maße irritierend ist die Haltung der Schule aber, weil noch vor drei Jahren eine große Mehrheit der Eltern für eine Schulartänderung stimmte. Weit über 50% aller Schuleltern und mehr als 75% der an der Abstimmung beteiligten Eltern sprachen sich für die Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule aus, damit die Schule bleibt, was sie ist: Eine Schule für alle ortsansässigen Kinder, ohne religiösen Zwang. Die Umwandlung erfolgte nur deshalb nicht, weil aufgrund der hohen gesetzlichen Hürde das gesetzlich festgelegte Umwandlungsquorum nicht erreicht wurde.

Im Grundgesetzartikel 140 (WRV 136.4) heißt es unmissverständlich: „Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.“ Es widerspricht eindeutig der Verfassung, wenn der Besuch eines Gottesdienstes an einer staatlichen Schule zur Pflichtveranstaltung erklärt wird. Wir hoffen sehr, dass die geplante Gesetzesänderung für die Regelungen an staatlichen Bekenntnisschulen hier Klarheit schafft, damit Eltern sich nicht in jedem Einzelfall wieder mit den Schulleitungen auseinandersetzen müssen.

Nachtrag 20.11.2014:

Auf der Homepage der Schule heißt es noch immer, dass der Besuch des Gottesdienstes freiwillig sei, und dass Kinder, die nicht am Gottesdienst teilnehmen möchten, in der Schule betreut werden können.

3 Gedanken zu „Katholischer Gottesdienst als schulische Pflichtveranstaltung für alle Kinder?

  1. Das wundert mich nicht: die Katholiken sind eine fundamentalistische Sekte. Meiner Tochter wurde heute an einer katholischen Bekenntnisschule im Unterricht erzählt, es gäbe keinen Weihnachtsmann, die Geschenke bringe das Christkind. Von meinem älteren Sohn, bei dem das Programm gegen den Weihnachtsmann vor drei Jahren durchgezogen wurde, weiß ich, dass dies für viele Kinder ein Schock ist und auch einige Eltern in Aufklärungsnot bringt. Wer dies für eine Kleinigkeit hält (die sich in viele Missionierungsversuche reihen, die außerhalb der religiösen Kernfächer stattfinden), sollte mal aus dem Blickwinkel eines Kindes betrachten, wie sich zerstörte Vorfreude anfühlt.

  2. Ich halte es für falsch und wenig sinnvoll, die größte deutsche Religionsgemeinschaft als „fundamentalistische Sekte“ zu bezeichnen. Übrigens: Bei uns zu Hause haben sich immer noch Eltern, Verwandte und Freunde um die Geschenke für die Kinder gekümmert – wir konnten uns in dieser Beziehung noch nie auf höhere Mächte verlassen, ob vom Nordpol oder vom Himmel hoch herkommend. Klar haben wir auch unseren Kindern gegenüber versucht, einen anderen Eindruck zu erzeugen – ob allerdings das Christkind oder der Weihnachtsmann seine Finger im Spiel hat, ist jedes Jahr wieder eine heiß umstrittene Frage, bei der auch die Freunde unseres Sohnes ihre oft konträren Ansichten vertreten haben. Womit ich nicht sagen will, dass ich das für ein Thema halte, das in den Unterricht gehört. Für wichtiger halte ich die Frage, ob an unseren öffentlichen Schulen uneingeschränkt das Grundgesetz gilt. Und eine wie auch immer geartete Verpflichtung zum Gottesdienstbesuch ist nicht nur geeignet, den Schulfrieden zu stören, sondern verstößt eindeutig gegen die Verfassung.

  3. Nur noch zwei Drittel der Einwohner von Deutschland gehören der evang. oder kath. Kirche an, in NRW nur geringfügig mehr, in Bremen nur noch die Hälfte, in Hamburg nur noch 40 %. Aber auch die anderen Leute haben Kinder. Da ist es absolut unverständlich, wenn über den Hebel des Religionsunterrichts bzw. der Schulgottesdienste hier eine Verpflichtung zur Religion überhaupt bzw. zur katholischen Variante davon erzwungen wird. Das könnte sich auch noch ganz gewaltig rächen, wenn es nämlich mehr und mehr muslimische Schulen geben sollte. Dann wird dort der muslimische Religionsunterricht bzw. der muslimische Gottesdienst Pflicht. Wollen wir das?
    All das ist eines säkularen Staates unwürdig. Wir können uns nicht über eine Islamisierung des Bildungswesen der Türkei unter Erdogan beklagen, wenn wir gleichzeitig diese Art von Eiertanz in katholischen Schulen aufführen. Auch die katholischen Schulen werden überwiegend vom staatlichen Steuerzahler bezahlt. Dann sollte der bekenntnisneutrale Staat auch bestimmen, was dort geschieht.
    Gelegentlich wird gesagt, an katholischen Schulen gäbe es ein besseres Benehmen, und manche nicht-katholischen Eltern würden sie daher bevorzugen. Hierzu ist festzustellen, dass es die Pflicht des Staates wäre, auch an den anderen Schulen ein anständiges Benehmen durchzusetzen. Das darf nichts mit „katholisch“ zu tun haben, wo kämen wir denn da hin?
    Eigentlich meine ich, zu den Menschenrechten für Kinder sollte gehören, dass sie bis zu einem bestimmten Alter (etwa 10-12) von jeder religiösen oder weltanschaulichen Indoktrination zu verschonen sind. Man kann vermuten, dass keine einzige Religionsgemeinschaft dem zustimmen würde, der nordkoreanische Führer selbstverständlich auch nicht. Aber der staatliche Gesetzgeber müsste darauf nicht Rücksicht nehmen, zumindest nicht bei einer Art von Resolution oder Deklaration (mehr sind die Menschenrechte ohnehin nicht). Man könnte das zumindest in der Öffentlichkeit diskutieren, ohne die Verfassung ändern zu müssen.

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