Geht gar nicht: Konrektorin mit falschem Bekenntnis. Schließlich könnte die Rektorin ja mal krank sein.

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Manchmal sind uralte Zeitungsartikel brandaktuell. Wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen? Und warum sieht die Politik da keinen Handlungsbedarf, sondern spricht immer nur vom Elternwillen? Selber lesen, bitte.

„Bärbel Blasek, 41 Jahre alt, ist Lehrerin aus Passion. Die Arbeit mit den Kindern mache ihr Spaß, sagt sie. Und auch die Schule, an der sie unterrichtet, die Grundschule im westfälischen Städtchen Buren bei Bielefeld, liege ihr „am Herzen“. Deswegen und auch weil die Kollegen ihr alle zugeredet hätten, habe sie sich um die freigewordene Stelle als Konrektorin beworben. Schulausschuß, Lehrerpersonalrat, Rat der Stadt Buren, Regierungspräsidium Detmold – alle unterstützten sie die Bewerbung der allseits beliebten Pädagogin. Konrektorin ist sie dennoch nicht geworden. Die Grundschule in Buren nämlich ist eine katholische Bekenntnisschule, Bärbel Blaseks Bekenntnis aber ist evangelisch. Auf Intervention der katholischen Kirche wies das Düsseldorfer Kultusministerium die Bewerberin ab“. Einen „Schlag ins Gesicht der ökumenischen Idee“ nannte das die Bürener Zeitung; und auch Stadtdirektor Wolfgang Runge hat „wenig Verständnis für diese Entscheidung“. Die „Rechtslage“ aber, sagt Prälat Paul Fillbrandt vom Kommissariat der Bischöfe von Nordrhein Westfalen, einer Art geistlicher Lobby bei der Landesregierung, sei „eindeutig“: Danach schreibe das Schulordnungsgesetz zwar einen „Minderheitenschutz“ für Angehörige anderer Konfessionen an Bekenntnisschulen vor. Dies gelte jedoch nur für einfache Lehrer und nicht für „Funktionsstellen“ wie die eines Konrektors. Man müsse sich nur mal vorstellen, so Filibrandt: Wenn der Schulleiter verhindert ist, übernimmt der Konrektor als Stellvertreter die Schulleitung. Ein Protestant komme für diese Funktion an einer katholischen Schule daher nicht in Betracht. Schließlich muß „die katholische Erziehung gewährleistet“ sein. Und „warum“, fragt der Prälat, „soll die Kirche freiwillig ein Stück Verfassungsrecht preisgeben“? […]

Der „Religionsfriede“, den es laut Prälat Filibrandt zu bewahren galt, ist nun erst recht gefährdet „Viele Eltern wußten gar nicht, daß wir eine Bekenntnisschule sind“, berichtet Bärbel Blasek. Schon weil die Grundschule die einzige am Ort ist, schickt auch die protestantische Minderheit im überwiegend katholischen Buren seit jeher ihre Kinder hierhin; sie machen rund zehn Prozent der Schüler aus, und entsprechend dem gesetzlich vorgeschriebenen „Minderheitenschutz“ sind auch drei der 18 Lehrer Protestanten, eine davon Bärbel Blasek. Die „Minderheit“ ist nun besonders empört: „Daß sich solch ein Anachronismus im Jahr 1984 ereignen kann!“, schimpft ein Elternvertreter. […]

Bürens Stadtverwaltung sowie die Kandidatin selbst wollen jedoch noch nicht klein beigeben. Unabhängig voneinander werden sie gegen die bürokratische Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht Münster klagen. Unterdessen wird an der Schule eine weitere Möglichkeit diskutiert: Laut Schulverwaltungsgesetz kann eine Bekenntnisschule in eine öffentliche Gemeinschaftsschule umgewandelt werden, wenn zwei Drittel der Eltern dies beantragen. Bärbel Blasek aber ist skeptisch, ob die Mehrheit zustandekommt: „Dann wird auch die katholische Kirche am Ort Stimmung gegen mich machen“.

DIE ZEIT, 28.12.1984, Mit falschem Gebetbuch

s. dazu auch Frankfurter Rundschau Online, 06.02.2010, Protestantin darf Schule nicht leiten

und KBKW-Artikel Auch Lehrkräfte werden diskriminiert

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