Schwache Schulvielfalt statt starker Schulen? Der Fall der Grundschule Schönebeck in Essen

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Im Internet fanden wir ein schönes Zeitdokument: Den offenen Brief einer Elterninitiative „zum Erhalt einer Gemeinschaftsgrundschule in Schönebeck“ an den Rat der Stadt Essen. Sie fragen darin, warum Doppelstrukturen mit kleinen Schulen aufrechterhalten werden sollen:

„Niemand konnte uns bisher erklären, warum diese Variante gegenüber der nahe liegenden (Schließung der katholischen Eichendorff-Schule) zu bevorzugen ist. Im Gegenteil: Ausnahmslos alle damit befassten Essener Politiker, aber auch Gewerkschafter der GEW sowie evangelische Gemeindepfarrer haben uns in Gesprächen in kleinerem Kreis bestätigt, dass die von uns geforderte Lösung in der Tat die richtige sei.  Und dann folgt seitens der Politiker leider allzu oft der Satz: ‚aber diese Lösung ist momentan nicht durchsetzbar!’ Wir fragen dann stets: Und warum nicht? Warum können Politiker, die vermeintlich alle dasselbe als Optimum ansehen, dieses Optimum nicht gemeinsam beschließen? Darauf kommen dann Antworten, aus denen Mutlosigkeit, ja Angst spricht. Angst vor ‚einem Flächenbrand!’ Angst vor der ‚Reaktion der katholischen Bevölkerung!’, Angst, Angst immer nur Angst! Wir fragen uns einigermaßen verwirrt angesichts dieser Ängste:  Wo leben wir eigentlich? In Nordirland oder in Nordrhein-Westfalen? Wann leben wir eigentlich? 1775 oder 2006?

Geschrieben wurde der Brief 2006, nicht 1775. Angesichts zurückgehender Schülerzahlen wurde damals in Essen ein Schulentwicklungsplan diskutiert, der von vielen Eltern im Stadtteil sehr kritisch beurteilt wurde.

„Wir wenden uns ausdrücklich nicht gegen die Absicht, von zwei direkt nebeneinander liegenden Schulen im Endeffekt nur noch eine aufrecht zu erhalten.

Allerdings muss das Prinzip gelten, dass die einzige Grundschule eines Stadtteils allen Kindern dieses Stadtteils bedingungslos zugänglich sein muss.  Dieses Prinzip erfüllt eine Gemeinschaftsgrundschule. Eine städtische Konfessionsschule erfüllt diese Bedingung explizit nicht.“

Die Verwaltung plante offenbar zwar den Erhalt des Schulstandortes, aber nicht als eigenständige Schule, sondern als Teil einer Verbundschule mit der (2 km entfernten) Gemeinschaftsgrundschule Bedingrade. Die Eltern protestierten energisch und forderten statt dessen die Zusammenlegung mit der in unmittelbarer Nähe (150m) liegenden KGS Eichendorffschule als GGS in einem Gebäude:

„Diese Lösung ist ebenso halbherzig wie unlogisch, sie ist insbesondere auch aus grundschulpädagogischer Sicht nachteilig, wenn nicht sogar unrealisierbar. Sie führt in jedem Fall zu einer Grundschule zweiter Klasse. Oder wie soll es Ihrer Meinung nach in der Praxis funktionieren? […] Wie stellen Sie sich vor, dass eine Grundschullehrerin in der 5-Minuten-Pause den langen Weg zur Bergheimer Str. (über 6 Ampeln) schaffen kann? Hingegen ist die Entfernung von knapp 150m zur Eichendorffschule ja auch heute schon in der praktischen Kooperation beider Schulen gelebte Praxis. Weiterhin dürfte unbestritten sein, dass eine einzügige Dependance nie groß genug werden kann, um den offenen Ganztag zu realisieren. […]

Wir lehnen diesen Vorschlag ab, insbesondere, weil es eine viel bessere Lösung gibt, die die Nachteile der schwachen Dependance ins Gegenteil umkehrt, die zu einer starken Schule für alle Kinder in Schönebeck führt und gegen die bisher kein logisches Argument ins Feld geführt werden konnte. Niemand konnte und kann uns erklären, warum man eine Schule mit in einer Entfernung von 2km auseinander liegenden Standorten künstlich zusammenfassen soll, statt zwei Schulen zusammenzufassen, die an derselben Straße gerade einmal 150m voneinander entfernt sind! „

Sie fragen sich, was geschah? Der Stadtrat beschloss die von den Eltern kritisierte Lösung.

Ach, und noch was: Im aktuellen Schulprogramm der KGS Eichendorffschule fanden wir folgenden kleinen Absatz:

„Nur wenige Kinder aus Migrantenfamilien besuchen unsere Eichendorffschule. Diese sind im Allgemeinen in Deutschland geboren und gehören dem West- oder südeuropäischem Kulturkreis an.“

Ach so. Schön. Offener kann man ja kaum ausdrücken, warum diese Schule unbedingt erhalten bleiben muss. Aber vielleicht sollte man dieses Zitat auch nicht überinterpretieren: Der Name des Vorsitzenden des Fördervereins lautet Hüseyin Güngör.

Elterninitiative zum Erhalt einer Gemeinschaftsgrundschule in Schönebeck (Februar 2006)

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