Staatliche Schule nur für getaufte Kinder – und in den Gottesdienst müssen alle, egal ob gläubig oder nicht

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Bei der Aufnahme an Bekenntnisgrundschulen gilt ab Herbst 2016:

„Bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisgrundschule haben Kinder, die dem Bekenntnis angehören, bei der Aufnahme einen Vorrang gegenüber den anderen Kindern.“
(Runderlass vom 1. Juni 2016, Nummer 1.23 der Verwaltungsvorschriften zur Ausbildungsordnung Grundschule)

Praktisch bedeutet das, dass Kinder, die nicht dem Schulbekenntnis angehören, an staatlichen Bekenntnisgrundschulen in NRW nur aufgenommen werden können, wenn nach Aufnahme aller entsprechend getauften Kinder an der betreffenden Schule noch Plätze frei sind. Die Schulweglänge spielt – anders als zuletzt – keine Rolle mehr, auch nicht ob ein Kind bereits ein Geschwisterkind an der Schule hat.

Manche Schulleitungen verstehen die zugrundeliegende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW von März 2016 womöglich als Aufforderung, das (zumeist katholische) Profil ihrer Schule zu stärken – und den Gottesdienst verpflichtend zu machen. So wurde uns von Betroffenen berichtet, dass Kinder ungeachtet ihres Glaubens seit diesem Schuljahr verpflichtend am katholischen Gottesdienst teilnehmen müssen. Das allerdings ist – katholische Grundschule hin oder her – nicht mit dem Grundgesetz vereinbar: „Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.“ So heißt es unmissverständlich in Grundgesetzartikel 140. Eine staatliche Bekenntnisgrundschule ist kein Kloster und auch kein Kommunionsunterricht: Kein Mensch – auch nicht ein katholisches Kind – darf zum Beten gezwungen werden. Bekenntnisgrundschulen in NRW sind staatliche Einrichtungen, die unmittelbar an das Grundgesetz gebunden sind. Das gilt auch in der Domstadt Köln. Solange es allerdings bekenntnisgebundene Schulen gibt, wird es auch solche Verstöße gut gläubiger Schulleitungen geben.

Im Juni fragte die Piratenfraktion im Landtag NRW die Landesregierung unter anderem:

4. Welche Folgen hat das Urteil des OVG für die Beschulung von neu zugewanderten Kindern, die nicht Religionen angehören, die Schulbekenntnisse von öffentlichen Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen sind?

5. Wie schätzt die Landesregierung die Rolle der öffentlichen Bekenntnisschulen bei der Beschulung von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern ein?

Die Antwort der Landesregierung lautete:

4. Bei Anmeldeüberhängen an Bekenntnisschulen werden die bekenntnisangehörigen Kinder den Vorrang gegenüber den bekenntnisfremden Kindern haben. Das wird sowohl für neu zugewanderte Kinder als auch für nicht neu zugewanderte Kinder gelten.

5. Die Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler gehört in gleicher Weise zum Auftrag der Bekenntnisschulen wie aller anderen Schulen.

Die unmittelbar aufeinander folgenden Antworten zeigen einen eklatanten Widerspruch auf. Es ist eine politische Aufgabe, diesen Widerspruch aufzulösen.

Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP

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Im Mai 2016 stellte die FDP im NRW-Landtag eine Kleine Anfrage an die Landesregierung mit dem Titel „Was folgert die Landesregierung aus der absehbaren juristischen Niederlage zur Aufnahme bekenntnisangehöriger Kinder an Bekenntnisschulen?“ Das Ministerium antwortete darauf am 13. Juni.

Zum Hintergrund: Es steht außer Frage, dass das Urteil des OVG, mit dem eine Entscheidung des VG Aachen bestätigt wurde, für die Landesregierung unangenehm ist (für eine Übersicht zu den einschlägigen Gerichtsurteilen siehe hier). Die FDP spricht in ihrer Anfrage von einer „juristischen Ohrfeige“. Das Ministerium beruft sich nun in der Antwort darauf, dass es sich bei der Änderung der praktisch angewandten Aufnahmekriterien – entgegen dem Vorwurf der FDP, dass keine juristische Prüfung erfolgt sei – an der jüngsten Rechtsprechung orientiert hat. Zitiert wird aus einem Urteil des VG Münster (Beschluss vom 15. August 2013, Az. 1 L 286/13),

„… dass sich die vorrangige Auswahl der Kinder aufgrund des formellen Bekenntnisses weder aus einfachem Recht rechtfertigen lassen, vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 8.4.2008 – 18 K 131/08 – juris, Rdn. 12 ff., noch von Verfassungs wegen geboten sein dürfte. Denn nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ergibt sich ein Aufnahmeanspruch auch für bekenntnisfremde Kinder an einer Bekenntnisschule aus Art. 4 Abs. 1 GG i. V. m. dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung, wenn die Eltern für ihr Kind die Ausrichtung der gewünschten Schule als Bekenntnisgrundschule auf die Grundsätze dieses Bekenntnisses voll und ganz bejahen.“

Demnach muss nicht nur der Wortlaut der Landesverfassung herangezogen werden, sondern auch das höherrangige Grundgesetz, innerhalb dessen Rahmen die Landesverfassung ausgelegt werden muss. Das OVG vertritt in seinem Urteil von März 2016 allerdings eine andere Auffassung als das VG Münster. Es ist ein billiger Vorwurf, wenn die FDP der Regierung angesichts der sich widersprechenden Rechtsauffassungen der Gerichte eine ungenügende juristische Prüfung vorwirft.

Man merkt der Antwort der Landesregierung eine gewisse Ratlosigkeit an, wenn sie nun schreibt:

„Die Landesregierung respektiert den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster, auch wenn sie zum Stellenwert der formellen Homogenität in einer Bekenntnisschule moderner Prägung zu einer anderen Rechtsansicht gekommen ist. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung wird hieraus unter Beteiligung der Kirchen die geeigneten Schlussfolgerungen ziehen.“

Wir können die Ratlosigkeit nachvollziehen. Selbstverständlich ist das Urteil des OVG Münster zu respektieren. Gleichzeitig gilt, dass Verwaltungsgerichte in der Vergangenheit dem Gesetzgeber bereits mehrfach nahegelegt haben, eine rechtliche Anpassung an die Realität vorzunehmen. Die Landesregierung hat hier selbst kaum Möglichkeiten, und auch im Landtag ist die erforderliche verfassungsändernde Mehrheit für eine unserer Meinung nach längst überfällige Abschaffung öffentlicher Bekenntnisschulen nicht in Sicht.

Politische Stellungnahmen zum OVG-Beschluss und den Folgen

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Im April wandten wir uns an das Schulministerium und die schulpolitischen Sprecherinnen aller Landtagsparteien mit der Bitte, gemeinsam konstruktive Lösungen zu erarbeiten, damit Kinder unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit einen kurzen Weg zur Grundschule haben. Der OVG-Beschluss von März 2016 schwächt dieses Prinzip, weil er unmissverständlich klarstellt, dass an öffentlichen Bekenntnisschulen zunächst nur Kinder, die im Schulbekenntnis getauft sind, ein Anrecht auf Aufnahme haben. Von allen Angeschriebenen erhielten wir dankenswerterweise Antworten.

Die Antwort der CDU

Die CDU machte es sich recht einfach. Im Auftrag der schulpolitischen Sprecherin Ute Vogt antwortete Prof. Dr. Hans-Ulrich Baumgarten wenig originell, dass „die Partei mit dem „C“ im Namen nicht gegen Bekenntnisschulen“ ist. Ansonsten kopierte er einen Absatz aus einem Periodikum der Katholischen Elternschaft Deutschlands vom Sommer 2013, ohne das Zitat allerdings als solches zu kennzeichnen:

„Gläubig zu sein ist ein Wesensmerkmal des Menschen. Daher unterliegen Glaubensvollzug und religiöse Erziehung nicht dem Zeitgeist. Bekenntnisschulen sind lebendiger Ausdruck der gläubigen Einstellung von Menschen in unserer Gesellschaft.“

Unsere Antwort darauf stellen wir gerne zur Verfügung. Eine Rückmeldung haben wir darauf bislang nicht erhalten.

Die Reaktion des Schulministeriums

Im Schulministerium von Sylvia Löhrmann gab man sich mehr Mühe, unsere Frage nach den Konsequenzen aus dem OVG-Beschluss zu beantworten. Nach Ansicht des Ministeriums sind die Sorgen der Initiative über eine Benachteiligung anderer Kinder unbegründet: Erstens habe der Beschluss „ausschließlich Bedeutung für die Aufnahmeverfahren“. Außerdem habe das Urteil auch bei der Schulentwicklungsplanung keinerlei Konsequenzen. Das bedeutet, dass zum Beispiel eine katholische Schule auch zukünftig zweizügig geplant werden kann, selbst wenn höchstens für einen Zug katholische Kinder im Einzugsbereich wohnen. Außerdem wirke sich der Vorrang bekenntnisangehöriger Kinder ja ohnehin nur dann aus, wenn es mehr Anmeldungen als Plätze gebe, was selten der Fall sei.

Das Ministerium kann nicht nachvollziehen, dass Familien, deren Kinder nicht dem Schulbekenntnis angehören, durch die Regelungen diskriminiert werden, da die Schulen durch das erleichterte Umwandlungsverfahren nunmehr „ohne übermäßige Anforderungen“ umgewandelt werden könnten. Dass seit der Gesetzesänderung lediglich sechs Verfahren zur Schulartumwandlung eingeleitet wurden, von denen lediglich zwei erfolgreich waren, wird vom Ministerium als  Beleg dafür bewertet, dass Bekenntnisgrundschulen im Rahmen der geltenden gesetzlichen Regelungen sehr wohl zur gesellschaftlichen Realität in Nordrhein-Westfalen passen.

Inwieweit ein Verfahren gerecht ist, bei dem eine Mehrheit von 70% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 70% nicht ausreicht, um eine Schule umzuwandeln, sei dahingestellt.

Eine Änderung der Landesverfassung, so das Ministerium ferner, sei nicht notwendig. Die erfolglosen Umwandlungsversuche seien ein Beleg dafür, dass eine Mehrheit der Eltern „gerade auch für das Grundschulalter eine konfessionell ausgerichtete Bildung und Erziehung wünscht“. Auf die von uns angeführten Studien, die belegen, dass es selbst den meisten Eltern getaufter Kinder nicht primär um eine religiöse Erziehung geht, sondern um ein möglichst homogenes Lernumfeld, geht das Antwortschreiben nicht ein. Wir hatten in unserer Anfrage darauf hingewiesen,  dass Gemeinschaftsgrundschulen, die im Wettbewerb stehen mit Bekenntnisgrundschulen, in der Regel signifikant mehr Kinder aus nichtdeutschen Herkunftsfamilien beschulen müssen. Dieser Punkt wird durch das Antwortschreiben nicht entkräftet. Der Hinweis, dass durch die Aufhebung der Schulbezirke auch Kinder aus Migrantenfamilien die Möglichkeit hätten, auf Schulen außerhalb von Ballungsräumen auszuweichen, ist zwar formal richtig. Studien des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration zeigen aber, dass in den letzten Jahren eine zunehmende Segregation an Grundschulen festzustellen ist, und dass die Eltern mittlerer und gehobener Schichten weitaus eher bereit sind, für ein vermeintlich besseres -weil homogeneres – Bildungsumfeld weitere Schulwege für ihre Kinder in Kauf zu nehmen, als dies bei sozial schwachen Familien der Fall ist (s. dazu u.a. Policy Brief: „Segregation an Grundschulen: Der Einfluss der elterlichen Schulwahl“). Hinzu kommt in Nordrhein-Westfalen, dass die oft besonders begehrten Konfessionsschulen nicht getauften Kindern eben doch nur eingeschränkt offenstehen.

Die Argumentation im Schlussabsatz des Schreiben wirkt daher so, als sei sie direkt einer Broschüre der katholischen Kirche entnommen: „Die Tatsache, dass ein großer Teil der Kinder an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen nicht dem betreffenden Bekenntnis angehört, zeigt ja gerade, dass die Bekenntnisschulen einen entsprechenden Beitrag zur Integration leisten.“

In Bonn, wo 20 von 49 Grundschulen bekenntnisgebunden sind (18 katholisch, 2 evangelisch) fällt allerdings auf, dass der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und speziell von muslimischen Kindern an Gemeinschaftsgrundschulen erheblich höher ist als an jeweils nahe gelegenen Bekenntnisschulen. Was ja auch – siehe OVG-Beschluss- dem ursprünglichen Gedanken der Bekenntnisschulen entspricht.

Die FDP

Die FDP wies uns in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage hin, die sie zu dem Thema im Landtag gestellt hat. Wir können uns allerdings nicht des Eindrucks erwehren, dass es der FDP weniger darum geht, gemeinsam mit den anderen Parteien konstruktive Lösungen zu finden. Vielmehr scheint die Partei sich über eine „juristische Ohrfeige“ für das Schulministerium zu freuen und stellt die rhetorische Frage, ob rechtlichen Änderungen überhaupt juristische Prüfungen vorangehen. Sie unterschlägt damit bewusst, dass es auch nach Ansicht von Staatsrechtlern allerhöchste Zeit ist für weitergehende Anpassungen und dass gesetzliche Änderungen zur Anpassung an die gesellschaftliche Realität dringend geboten sind. Auch wir sind allerdings gespannt, wie das Schulministerium auf die Anfrage antwortet und wie sie die Verwaltungsvorschrift zur Aufnahme an Bekenntnisschulen ändert.

[Update 16.6.2016: Hier die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage sowie unser Kommentar dazu.]

Die anderen Parteien

Von allen anderen Angeschriebenen bekamen wir ebenfalls eine Rückmeldung. Wir hörten, dass man unsere Bedenken nachvollziehen kann und sich um Lösungen bemühe. Wir wurden allerdings auch darauf hingewiesen, dass die Landtagswahlen schon jetzt ihren Schatten vorauswerfen und eine zielgerichtete Zusammenarbeit in praktischen Fragen wie diesen erschweren.

Die Kirchen

Auch die Kirchen haben wir in Gestalt der Verbindungspersonen zum Landtag nach ihrer Position zum Thema befragt. Die Antwort, die von katholischer Seite stellvertretend für beide Kirchen gegeben wurde, lautete:

„Wir teilen Ihre Auffassung nicht, dass der von den Kirchen gewollte Weg der ökumenischen Öffnung der Bekenntnisschulen durch die Entscheidung vom 21. März konterkariert wird.“

Wir formulierten eine Rückantwort, in der wir um eine Begründung baten. Diese erhielten wir zwar nicht, aber immerhin ein Gesprächsangebot.

Wie weiter?

Uns ist bewusst, dass die derzeitige gesellschaftliche Stimmung und die bevorstehende Landtagswahl die Suche nach konstruktiven Lösungen im Bereich der Grundschulen nicht vereinfacht. Es steht daher zu erwarten, dass es auch in den kommenden Schuljahren wieder tragische Fälle abgelehnter Kinder geben wird. Womöglich wächst dann wieder der Druck auf die Entscheidungsträger, dauerhaft tragfähige politische Lösungen zu finden.

Petition an den Rat der Stadt Bonn zur Umwandlung von Bekenntnisgrundschulen

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Update 7.6.2016: Am 22. 6. wird über den Buergerantrag der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ im Bürgerausschuss des Bonner Stadtrates im Stadthaus beraten. Die Sitzung ist öffentlich. Siehe hierzu auch Bürgerantrag zur Umwandlung nicht homogener Bekenntnisgrundschulen abgelehnt.

Bonn, 21.5.2016

Seit gestern sammeln wir Unterschriften für eine Petition, mit der wir den Bonner Stadtrat auffordern, an Bonner öffentlichen Bekenntnisgrundschulen Umwandlungsverfahren in Gemeinschaftsgrundschulen einzuleiten, nachdem ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts deuSchultafel-fotolia-kbkw2tlich gemacht hat, dass die Rechtslage nichts mehr mit der Realität in unserem Bundesland zu tun hat. Wir versuchen, 500 Unterschriften aus Bonn zu sammeln, selbstverständlich freuen wir uns auch über Unterstützung aus anderen Teilen Nordrhein-Westfalens. Weiterlesen

Ein Anachronismus sondergleichen: Die staatliche Bekenntnisschule in NRW

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Initiative Kurze Beine, kurze Wege, am 8. April 2016  

In Bezug auf öffentliche Bekenntnisschulen klaffen Verfassung und gelebte Praxis in Nordrhein-Westfalen weit auseinander. Während Bekenntnisschulen laut Verfassung „formell bekenntnishomogen“ und prinzipiell nur für katholische bzw. evangelische Schüler eingerichtet sind, sind tatsächlich im Schnitt nur gut 50% der Schülerinnen  und Schüler an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen in NRW tatsächlich im jeweiligen Bekenntnis getauft. Das erinnert an die ehernen Grundsätze zum Thema Ehe und Sexualität in der katholischen Kirche, wo die gelebte Praxis der Gläubigen sich ebenso wenig nach den realitätsfernen Dogmen richtet. Nur handelt es sich bei den Schulen nicht um Einrichtungen der katholischen oder evangelischen Kirche, sondern um staatliche Institutionen, die zu hundert Prozent von allen Steuerzahlern finanziert werden. Allein der Staat bestimmt darüber, wer an diesen Schulen lehren und lernen darf. Solange allerdings die Verfassung festlegt, dass es staatliche Bekenntnisschulen für Kinder des jeweiligen Bekenntnisses gibt, sind dem politischen Gestaltungswillen enge Grenzen gesetzt. Die Benachteiligung von Kindern aufgrund ihrer Konfession bzw. Religion kann durch eine Gesetzesänderung nicht beseitigt werden, wie das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster unmissverständlich festgestellt hat.

Immerhin ein Drittel aller Grundschulen und ein Zehntel aller Hauptschulen sind im bevölkerungsreichen NRW solche konfessionell gebundenen Schulen. In vielen Gemeinden gibt es sogar ausschließlich Bekenntnisgrundschulen. Zuletzt wurde die strikte Bekenntnisbindung für Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Lehrkräfte durch eine neue gesetzliche Regelung und Verordnungen des Schulministeriums zunehmend aufgeweicht. Wenn sich Eltern mit Erziehung und Unterrichtung im Schulbekenntnis einverstanden erklärten, mussten ihre Kinder zuletzt bei der Aufnahmeentscheidung gleichberechtigt mit getauften Kindern berücksichtigt werden. Dieser Praxis hat im März 2016 ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts ein Ende bereitet: Nun müssen katholische Kinder an katholischen Schulen wieder vorrangig aufgenommen werden. Ob das Kind bereits Geschwister an der Schule hat oder ob es zu einer anderen Schule einen wesentlich weiteren Schulweg hätte, spielt ab sofort wieder keine Rolle mehr.

Die Veedelsschule war einmal

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Freie Grundschulwahl führt zu verstärkter Segregation

Wie soll Integration funktionieren, wenn Angehörige der Mehrheitsgesellschaft sich von jenen abschotten, von denen sie Integration fordern? Oder andersherum: Wie sollen Kinder von Einwanderern deutsch lernen, wenn deutsche Familien versuchen, ihre Kinder in möglichst homogen deutschen Einrichtungen unterzubringen?

„In Ballungsräumen bleiben die Kinder der einzelnen Schichten immer mehr unter sich“. Das hat eine Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel Gleich und gleich gesellt sich gern: Zu den sozialen Folgen freier Grundschulwahl festgestellt. Die Abschaffung der Schulbezirke für Grundschulen ist der Integration nicht förderlich und fördert die Trennung von Kindern nach sozialen Kriterien. Weiterlesen

„Fünf katholische Konfessionsschulen werden umgewandelt“

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„Fünf katholische Konfessionsschulen werden umgewandelt“, so hat die Rheinische Post am 8. Januar einen Artikel überschrieben und als „Auslöser“ die „Absenkung der Hürden für die Umwandlung von Konfessionsschulen“ ausgemacht. Ob auch nur eine der Grundschulen tatsächlich umgewandelt wird, ist allerdings ungewiss.

Der wahre Kern an der Meldung ist: An fünf konfessionellen Grundschulen stimmen in diesem Schuljahr Eltern über eine Umwandlung in Gemeinschaftsschulen ab. Allein vier der Schulartabstimmungen finden in Paderborn statt. Weiterlesen

Schulgesetz von NRW verstößt gegen AGG

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„Eine Benachteiligung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung liegt vor.“

So hatte es Rechtsanwalt Frank Jansen als Sachverständiger im Februar 2015 im Landtag NRW festgestellt und damit die Position unserer Initiative bestätigt. Weiter argumentierte er, eine unterschiedliche Behandlung von Schülern aufgrund ihres Glaubens sei nach dem Antidiskriminierungsgesetz vertretbar, nicht aber die Benachteiligung von Lehrkräften.

Nun wurde genau diese Frage eingehend in einem Fachartikel untersucht. Der Jurist Sebastian Hartmann kommt darin zu  dem eindeutigen Schluss:

„Durch die geforderte Bekenntniszugehörigkeit von Lehrkräften und Schulleitung verstößt § 26 Abs. 6 SchulG NRW sowohl in seiner bisherigen als auch in seiner neuen Fassung gegen höherrangiges Bundesrecht in Form von § 1 AGG. Der Staat als solcher kann, obwohl er Bekenntnisschulen betreiben darf, sich nicht auf die Ausnahmeregelungen des AGG berufen, die in der derzeitigen Ausgestaltung zweifelsfrei nur für Religionsgemeinschaften gelten. Um diesen Missstand aufzulösen, müsste das Schulgesetz dahingehend geändert werden, dass es AGG-konform keine Einstellungsvoraussetzungen an das Bekenntnis knüpft.“

Vielen Lehrerinnen und Lehrern nützt diese Feststellung nichts mehr: Bis vor kurzem wurde ihnen von Lehrerverbänden abgeraten, den Klageweg zu gehen.

Wir sind gespannt, wie die politischen Entscheidungsträger mit der juristischen Einschätzung Hartmanns umgehen. Als Rechtsanwalt Jansen in der Sachverständigenanhörung auf das Problem hinwies, führte dies nicht zu einer entsprechenden Änderung der Gesetzesvorlage.

Tatsächlich gehen unsere Forderungen ohnehin weiter, da wir überzeugt sind, dass auch die unterschiedliche Behandlung von Schülerinnen und Schülern an öffentlichen Schulen unverzüglich beendet werden muss. In der gleichen juristischen Fachzeitschrift forderte ganz in diesem Sinne der Jurist und Erste Beigeordnete der Stadt Warendorf, Dr. Martin Thormann bereits 2011:

„Die öffentliche Bekenntnisschule ist heute ein Anachronismus, liegt ihr doch die Idee zugrunde, dass für die schulische Bildung der Kinder die jeweilige Konfession prägend sein soll.“

Anmerkung: 
AGG = Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, umgangssprachlich Antidiskriminierungsgesetz, s. wikipedia-Artikel

Quellen:

  • Sebastian Hartmann: Die staatliche Bekenntnisschule im Lichte des AGG, in: DÖV 2015, S. 875
  • Dr. Martin Thormann: Kreuz, Kopftuch und Bekenntnisschule, in: DÖV 2011, S. 945

Schon gewusst? Fakten zu öffentlichen Bekenntnisschulen

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Die erste Version dieses Artikels stammt von Oktober 2012. Wir haben farblich markiert, welche Änderungen sich durch die Neufassung des Schulgesetzes 2015 ergeben.

Wussten Sie schon,

  • dass es in Nordrhein-Westfalen und Teilen Niedersachsens öffentliche Bekenntnisschulen gibt, die zu 100% von allen Steuerzahlern bezahlt werden?
  • dass in NRW ein Drittel aller Grundschulen öffentliche Bekenntnisgrundschulen sind?
  • dass die Trennung von Kindern nach Konfession und Religion an öffentlichen Schulen in allen anderen Bundesländern Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts abgeschafft wurde, in NRW dagegen 2009 durch die Abschaffung der Schuleinzugsbezirke sogar gestärkt wurde? Aufgenommen werden zunächst alle im Schulbekenntnis getauften Kinder. Erst wenn dann noch Plätze frei sind, können auch andere Kinder aufgenommen werdenWeiterlesen

Bekenntnisschulreform in NRW: Besser ist nicht gut

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Bonn, 18.3.2015 (ergänzt am 20.3.2015)

Ein Artikel zur heutigen Gesetzesänderung zu Bekenntnisschulen in der Westdeutschen Zeitung bringt es auf den Punkt:

Ein unbefangener Beobachter hätte schließen können, dass beim verhandelten Thema Bekenntnisschule alles Bisherige auf den Kopf gestellt wurde. Indes: Mit der rot-grünen Mehrheit wurden lediglich Stellschrauben verändert.
wz-newsline.de, Peter Kurz, 18.3.2015, Gesetz verabschiedet: Die Bekenntnisschule bleibt, aber . . .

Dennoch: Dass nunmehr Bekenntnisschulen mit 50% + 1 Stimme umgewandelt werden können und dass Lehrkräfte auch mit dem falschen Bekenntnis oder gar ohne Taufschein an Bekenntnisschulen angestellt werden können, ist eindeutig eine Verbesserung. Auch in anderen Punkten deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Es wird nicht mehr festgehalten am Scheinbild der homogenen Bekenntnisschule, die es schon lange nicht mehr gibt. Zukünftig soll praktiziert werden, was schon immer im Gesetz stand, dass nämlich Religionsunterricht auch in anderen Religionen oder Bekenntnissen erteilt werden kann, wenn mindestens 12 Kinder dem entsprechenden Glauben angehören. Und es soll nicht mehr erlaubt sein, was schon immer absurd war, aber leider bislang gang und gäbe, dass nämlich Kinder gegen ihren eigenen oder den Willen ihrer Eltern an Schulgottesdiensten teilnehmen mussten. Ferdinand Claasen vom katholischen Büro NRW hat das im Landtag gut ausgedrückt:

„Es gibt keine Schule, in der die Seelen von Kindern mit Füßen getreten werden dürfen. Insofern gibt es selbstverständlich an keiner Schule im Lande Nordrhein-Westfalen einen Zwang zum Schulgottesdienst.“

Gerne zitieren wir hier noch einmal zusammenfassend den Verfassungsrechtler Pieroth, der in der Expertenanhörung am 4. Februar 2015 sagte:

„Wenn man bedenkt, dass selbst Bayern vor Jahrzehnten die öffentliche Bekenntnisschule abgeschafft hat, ist das hier ein sehr moderater Gesetzentwurf.“  

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Berichterstattung und Stellungnahmen zum neuen Schulgesetz

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