Staat und Kirche in NRW – Zukunft der Bekenntnisgrundschulen

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(veröffentlicht am 19.6.2014, editiert am 28.6.2014)

Am 16. Juni 2014 luden evangelische und katholische Kirche in den Düsseldorfer Landtag, um die Folgen einer zunehmenden religiösen Pluralität und Säkularisierung für das RSymposium Staat und Kircheeligionsverfassungsrecht in Nordrhein-Westfalen zu diskutieren (Programm hier). Die höchsten Kirchenvertreter aus den Bistümern und Landeskirchen auf dem Landesgebiet waren in den Landtag gekommen, um mit Repräsentanten aus Kirche und Gesellschaft über drängende Themen im Verhältnis von Kirche und Staat zu diskutieren, wie etwa das kirchliche Arbeitsrecht, die Staatsleistungen an die Kirchen und die Frage des Tanzverbots an hohen kirchlichen Feiertagen. Angehörige anderer Religionen und Vertreter säkularer Verbände waren vom Veranstalter offensichtlich nicht offiziell und gezielt eingeladen worden. Gleiches gilt übrigens für die „Initiative Kurze Beine -kurze Wege“. Erfreulicherweise konnten kurzfristig doch zwei von uns an der Veranstaltung teilnehmen.

In Forum 4 ging es nämlich um das Thema „Zukunft der Bekenntnisgrundschulen“. In einem Impulsvortrag stellte hier zunächst der Münsteraner Professor Dr. Hinnerk Wißmann aus verfassungsrechtlicher Perspektive erfreulich eindeutig dar, dass öffentliche Bekenntnisschulen angesichts geänderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und dem Verlust konfessioneller Homogenität einen Anachronismus darstellen, der dringend einer Reform bedarf, zumal alle anderen Bundesländer das Konstrukt schon vor bald 50 Jahren gekippt haben. Wißmann argumentierte, dass alle staatlichen Schulen – also auch staatliche Bekenntnisschulen – unmittelbar an das Grundgesetz gebunden sind und verpflichtet sind, die individuelle Vielfalt von Schülerinnen und Schüler zu achten und zu fördern. Es sei nicht haltbar, dass das Grundrecht auf Religionsunterricht im eigenen Bekenntnis und auch auf Abmeldung vom Religionsunterricht an dieser Schulart keine Geltung habe. Dadurch seien der staatlichen Bekenntnisschule (im Gegensatz zur privaten Ersatzschule in kirchlicher Trägerschaft) in bezug auf die Ausbildung eines konfessionellen Profils enge Grenzen gesetzt.

Sigrid Beer (Grüne) stellte unterstützt von Renate Hendricks (SPD) einen gemeinsamen und mit den Kirchen abgestimmten Gesetzentwurf vor. Danach soll die Umwandlung von Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen erheblich erleichtert werden und Kommunen ein Initiativrecht für die Umwandlung eingeräumt werden. Der Gesetzentwurf wird im Moment in den Fraktionen diskutiert und soll im Juli im Landtag eingebracht werden. (Update 28.6.2014: Entgegen der Ankündigung wird es vor den Sommerferien doch keine Einbringung mehr geben. Damit ist wieder ein Jahr verloren: Eltern, die ihre Kinder im Herbst 2014 zur Grundschule anmelden, wissen nicht, inwieweit ihre Rechte an der Bekenntnisgrundschule eingeschränkt bleiben werden.)

Wenn auch keine Einigkeit bestand über das Ausmaß und die Art der notwendigen Änderungen, so waren sich doch fast alle Forums-Teilnehmer einschließlich der Kirchenvertreter einig, dass dringender Änderungsbedarf auf gesetzlicher Ebene besteht. Die Kirchenvertreter haben allerdings auch nicht konkret dargelegt, wie eine staatliche Bekenntnisschule aussehen könnte, die mit den geänderten Rahmenbedingungen einer religiös und konfessionell pluralen Gesellschaft vereinbar ist.

Lediglich Astrid Birkhahn (CDU) vertrat die Überzeugung ihrer Fraktion, dass es keinerlei Notwendigkeit gebe, etwas zu verändern. Es sei wichtig, die Vielfalt in der Schullandschaft und damit die öffentlichen Bekenntnisschulen zu erhalten. Es wäre falsch, wenn es nur noch eine „Einheitsschule“ gäbe. Schließlich würden sich ja auch viele Eltern für diese Schulen entscheiden, ohne dass ihre Kinder dem Bekenntnis angehören. Zur Werteerziehung gehöre es auch, dass Kinder in ihrer religiösen Identität über den Religionsunterricht hinaus in der Schule eine Heimat fänden und die Eltern in der religiösen Erziehung unterstützt würden. Wenn man diese Argumentation weiterdenkt, müsste man letztlich auch islamische Bekenntnisschulen und die Einrichtung atheistischer Weltanschauungsschulen befürworten.

Redakteur Dr. Frank Vollmer von der Rheinischen Post konnte Birkhahn mit ihrer Argumentation offenbar nicht überzeugen. In seiner pointierten Zusammenfassung des Forums fasste er das Ergebnis der Diskussion im Abschlussplenum so zusammen: „Ob die konfessionelle Bekenntnisschule als flächendeckendes Angebot in Nordrhein-Westfalen eine Zukunft hat, scheint mir nach dieser Diskussion durchaus fraglich.“ (vollständige Rede von Dr. Vollmer)

In seinem danach gehaltenen Schluss-Statement betonte Armin Laschet (CDU-Vorsitzender in NRW) allerdings ausdrücklich, dass die CDU keinerlei Notwendigkeit einer Verfassungsänderung sehe.

Pressemitteilungen und Berichterstattung zum Symposium

Es fällt auf, dass das Thema Bekenntnisschulen weder in den Pressemitteilungen der Kirchen noch in der traditionellen Berichterstattung erwähnt wird (auch in der dpa-Meldung, die hier nicht abgedruckt werden kann).

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