(zuletzt aktualisiert: 06.03.2023)
Die Länge des Schulwegs für die kleinsten Schüler/innen und die Verwirklichung des Prinzips der Religionsfreiheit an Grundschulen hängt für Lehrkräfte und Schüler/innen in großen Teilen Nordrhein-Westfalens maßgeblich von der Konfession ab. Die Verfassung des Landes garantiert die Existenz staatlicher Bekenntnisschulen. 2015 wurde durch eine Schulgesetzänderung die Umwandlung von Bekenntnisschulen etwas erleichtert und die strikte Bekenntnisbindung von Lehrkräften aufgeweicht und damit der (gelebten) Realität angepasst.
Die Situation an den Grundschulen in Nordrhein-Westfalen war insgesamt aufgrund des Geburtenrückgangs bis 2015 durch abnehmende Schülerzahlen gekennzeichnet, seit 2016 steigen die Schülerzahlen wieder. Der Anteil katholischer und evangelischer Kinder an den Grundschulen des Bundeslandes geht stetig und zunehmend rasant zurück: Waren 2001 noch 74,4% getauft (ev. oder kath.), so waren es im Schuljahr 2021/22 nur noch genau 50% (im Vorjahr noch 52,1%). Der Anteil der Grundschulkinder, die keiner Religion zugeordnet sind, erhöhte sich dagegen im gleichen Zeitraum von 9,4% auf 22,3%. Der relative Anteil muslimischer Kinder erhöhte sich in diesem Zeitraum ebenfalls deutlich von 11,8% auf 20,3%.
Bekenntnisgrundschulen in NRW in Zahlen (alle Zahlen beziehen sich auf das Schuljahr 2021/22)
Insgesamt gibt es 657.722 Grundschüler (1970: 1.071.127), davon sind
- 30,1% römisch-katholisch (2001/2: 44,2%)
- 22,3% ohne Konfession (2001/2: 9,4%)
- 19,9% evangelisch (2001/2: 30,2%)
- 20,3% muslimisch (2001/2: 11,8%)
- 7,5% andere Konfessionen
44,9% der Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Grundschulen haben eine Zuwanderungsgeschichte, davon 15,7% eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit.
Von den insgesamt 2787 Grundschulen (2001/2: 3.470, 1970: 3.650) sind 2.722 öffentlich. In NRW sind lediglich 75 (Vorjahr: 70) und damit 2,7% der Grundschulen staatlich anerkannte private Ersatzschulen. Allerdings gibt es offenbar einen Trend zur Gründung von immer mehr Privatschulen im Grundschulbereich, allein 10 solcher Schulen wurden seit 2020 neu eingerichtet. Die Verteilung nach Schularten ist wie folgt:
- 1.895 Gemeinschaftsgrundschulen (67%, im Vorjahr 1.889)
- 798 römisch-katholische Grundschulen (29%, im Vorjahr 803), davon 4 Privatschulen
- 89 Evangelische Grundschulen (3%, unverändert), davon 24 Privatschulen
- 2 jüdische Grundschulen (0%, unverändert), Privatschulen
- 1 mennonitische Grundschule (0%, unverändert), Privatschule
- 1 russisch-orthodoxe Grundschule (0%, unverändert), Privatschule
- 1 Weltanschauungsschule (seit Schuljahr 2017/18), Privatschule
Insgesamt gibt es demnach 887 Bekenntnisgrundschulen, die sehr ungleichmäßig über das Bundesland verteilt sind. Während es 2013 in 116 Gemeinden keine einzige Bekenntnisgrundschule gab, war diese in 75 Kommunen die einzige Schulform. In 153 Städten waren mindestens die Hälfte der Schulen konfessionell gebunden.
Bekenntnishomogenität?
Eine „Bekenntnishomogenität“ (laut Bildungsministerium „prägender Gesichtspunkt in formeller Hinsicht“) ist im statistischen Mittel nur an den 2 jüdischen Grundschulen gegeben (hier handelt es sich allerdings um Privatschulen): Dort sind 81,3% der Schülerinnen und Schüler jüdisch. An evangelischen und katholischen öffentlichen Grundschulen nimmt der relative Anteil der Bekenntnisschüler dagegen laufend ab. Der Anteil von Schülern im jeweiligen Bekenntnis ist wie folgt:
- an katholischen Grundschulen sind 46,7% katholisch (2004/5: 63,6%)
- an evangelischen Grundschulen sind 36,8% evangelisch (2004/5: 50,6%)
Der Anteil muslimischer Kinder ist an Gemeinschaftsgrundschulen fast doppelt so hoch wie an Bekenntnisschulen: Im Schnitt werden dort 23,5% dem Islam zugerechnet (2004/5: 15,7%). An EGS beträgt deren Anteil 11,6% (10,2%), an KGS ist er noch etwas höher: 13,3% (7,6%). Dazu sollte man sagen, dass die statistischen Werte gemittelt sind und wenig über die Situation an einzelnen Schulstandorten aussagen. So gibt es sowohl Gemeinschaftsgrundschulen als auch Bekenntnisgrundschulen, an denen muslimische Kinder die größte Gruppe darstellen.
Religionsunterricht an Bekenntnisgrundschulen
Die Schulstatistik des Landes hält fest, dass auch an Bekenntnisschulen zahlreiche Kinder nicht am Religionsunterricht teilnehmen. An katholischen Grundschulen sind laut dieser Statistik z.B. 253 römisch-katholisch und 35 evangelisch getaufte Kinder vom Religionsunterricht abgemeldet. Das ist angesichts von insgesamt 181.168 Kindern an dieser Schulart prozentual zwar ein verschwindend geringer Wert – aber doch erstaunlich hoch angesichts dessen, dass eine Abmeldung vom Religionsunterricht an Bekenntnisschulen eigentlich gar nicht möglich sein soll.
Alle o.g. Zahlen stammen aus: Das Schulwesen in NRW aus quantitativer Sicht 2021/22 sowie Schulinfo 2004/5.
Eine gute Ergänzung ist in diesem Zusammenhang eine Kleine Anfrage der NRW-Piraten vom Juni 2013: Aus der Antwort ging hervor, dass es zu diesem Zeitpunkt in 75 Kommunen in NRW ausschließlich Bekenntnisschulen gab, und in 39% aller Städte und Gemeinden waren mindestens die Hälfte aller Grundschulen Bekenntnisschulen.
Die Farbpunkte stellen den Anteil der Bekenntnisgrundschulen in der jeweiligen Kommune dar: weiß=0%, schwarz=100% (hier klicken für eine vergrößerte Darstellung).
Fallbeispiel Bonn
Es gibt Kommunen, in denen der Anteil von Bekenntnisschulen weitaus höher ist als in Bonn. Aber auch an diesem Beispiel lässt sich gut darstellen, dass die Schullandschaft einem erweitert definierten Inklusionsbegriff nicht gerecht wird, wie folgende Auszüge aus dem Handbuch Inklusive Bildung Bonn (Stand September 2012) deutlich machen:
Inklusion wird von der Stadt Bonn mit dem erweiterten Inklusionsbegriff definiert.
Der Inklusionsbegriff wird deshalb in Bonn ausdrücklich auf alle Menschen bezogen, die – aus welchen Gründen auch immer – in unserer Stadtgesellschaft ganz oder in Teilbereichen ausgegrenzt werden, d.h. nicht nur auf Menschen mit Behinderung, sondern z.B. potenziell auch auf Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen in Armut oder aus schwierigen sozialen Verhältnissen usw. (sog. weiter Inklusionsbegriff).
Von den 51 Grundschulen in Bonn sind 19 Grundschulen katholisch und zwei evangelisch. 28 Schulen sind Gemeinschaftsgrundschulen.
Insgesamt sind in Bonn (im Schuljahr 2010/2011) 4.047 Grundschulkinder katholischen Glaubens – die beileibe nicht alle katholische Grundschulen besuchen. Umgekehrt besuchen insgesamt 4.337 Kinder katholische Grundschulen, d.h. das Angebot ist weit größer, als es tatsächlich Grundschulkinder dieser Glaubensrichtung gibt. Insgesamt sind nur noch 44% der Kinder an katholischen Grundschulen in Bonn tatsächlich katholisch. Im Schuljahr 2013/14 (und auch 2016/17) gehörten lediglich an zwei Bonner Konfessionsgrundschulen mehr als 50% der Kinder dem Schulbekenntnis an (s. http://www2.bonn.de/bo_ris/
An den beiden evangelischen Grundschulen war der Anteil an muslimischen Kindern (32%) höher als der Anteil an protestantischen Kindern (23%).
Ordnet man die Kinder und Jugendlichen aller Altersklassen nach ihrer Religionszugehörigkeit zu, ergibt sich folgendes Bild: Die Mehrheit der Bonner Kinder und Jugendlichen (42%) gehört dem katholischen Glauben an. 25% sind evangelisch, 15% der Kinder und Jugendlichen werden dem Islam zugerechnet und 14% sind ohne jede Religion. Des Weiteren gibt es 4% mit anderen Glaubensrichtungen, wie z.B. jüdisch, alevitisch, syrisch-orthodox usw.
Diese Zahlen ändern sich rapide: Betrachtet man ausschließlich die Situation an Grundschulen (also bei dem Teilausschnitt der jüngeren Kinder), sieht die Zusammensetzung schon ganz anders aus: Hier werden 21% der Kinder islamischen Glaubensrichtungen zugeordnet, nur 35% sind katholisch und 21% evangelisch. 19% sind konfessionslos.