Schulstreit in Hilden: Bezirksgrenzen wieder einführen? Schulen zusammenlegen? Schulgesetz ändern lassen?

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UPDATE zum Artikel unten: Die Frage ist entschieden. Das Schulgesetz soll geändert werden. Aus dem Artikel Warten auf neues Schulgesetz (RP Online, 14.9.2011):

Mit der Verbundschule, die frühestens für das Schuljahr 2012/2013 eingerichtet werden könnte, sieht Gatzke wesentliche Forderungen von Eltern und Politikern erfüllt: “Wir hätten weiterhin sowohl eine Bekenntnisschule als auch eine Gemeinschaftsgrundschule im Hildener Norden.”

s. auch Kommentar: Neue Chance?  und Reichwein-Schule ohne Schmid (beide RP Online, 14.9.2011)


Neues Schulgesetz für NRW soll erlauben, dass Bekenntnisschulen Hauptstandort eines Schulverbundes mit GGS werden

Hitziger Schulstreit im Hildener Norden. Es gibt hier die einzügige GGS Reichweinschule mit 70% muslimischen Zuwanderern und die zweizügige, beliebte KGS Kolpingschule, die unter Raumnot leidet. Beide Schulen befinden sich unmittelbar nebeneinander. Die Verwaltung schlägt aufgrund sinkender Schülerzahlen vor, dass beide Schulen in ihrer bisherigen Form aufgelöst und als Neugründung zusammengelegt werden. Bei der dafür nötigen Abstimmung müssten 485 Hildener Eltern entscheiden, aller Wahrscheinlichkeit nach würde eine GGS entstehen.

Eine katholische Elterninitiative vor Ort kämpft für den Erhalt der KGS. Weiterlesen

Neues Schulgesetz für NRW stärkt Bekenntnisschulen

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September 2011. Derzeit berät der Nordrhein-Westfälische Landtag eine Schulgesetzänderung, die dem Land einen bis 2023 gültigen Schulfrieden bescheren soll. Was bei der Einigung über die neue Sekundarschule bisher keinerlei Beachtung gefunden hat: Der neue Entwurf enthält auch wichtige Neuregelungen für die Zusammenlegung von Gemeinschaftsgrundschulen und Bekenntnisgrundschulen. Bislang gilt eine gesetzliche Regelung, die nach Auffassung der Erzbistümer Köln und Paderborn in einer Zeit sinkender Schülerzahlen die Existenz der Bekenntnisschulen ernsthaft bedroht:

Die bisherige Praxis der Kommunen geht von der Rechtsauffassung aus, dass ein Schulverbund nur unter dem Dach einer Gemeinschaftsschule gegründet werden kann. Diese Praxis würde bei Zunahme von Schulverbünden dazu führen, dass auf diesem Weg die Bekenntnisschule sukzessive aussterben würde.
Erzbistum Paderborn, 26.7.2011 

Die Erzbistümer Köln und Paderborn legten jedoch rechtzeitig für die Beratungen über die Neufassung des Schulgesetzes ein Rechtsgutachten vor, das ihrer Ansicht nach erläutert, dass Bekenntnisschulen hierdurch unzulässig benachteiligt werden:

Das Rechtsgutachten zeigt, dass auf der Grundlage von Landesverfassung und Schulgesetz alle Schularten gleichrangig zu bewerten sind, ebenso wie die positive oder negative Religionsfreiheit, die mitunter als Grund angeführt wird, nur Gemeinschaftsgrundschulen als sog. „Dach“ eines Schulverbundes vorzusehen. Daraus folgt, dass bei Schulverbünden, in denen eine Kath. Bekenntnisschule den größeren Standort bildet, auch unter dem „Dach“ der Kath. Bekenntnisschule ein Schulverbund gebildet werden kann.”
Meldung des Erzbistums Köln, 5.7.2011, siehe auch “Gutachterliche Stellungnahme” von RA Dr. Gernot Fritz vom RA-Büro “Busse & Miessen”, Bonn, vom 3.12.2010

Der in dem Gutachten geäußerte Standpunkt fiel bei den Verhandlungspartnern über das neue Schulgesetz, also CDU, SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, offenbar auf fruchtbaren Boden: Der Entwurf für das neue Schulgesetz, der am 6.9.2011 in den Landtag eingebracht wurde, erleichtert die Gründung von Grundschulverbünden aus Schulen verschiedener Schularten, die dann auch eine Bekenntnisschule als Hauptstandort haben können. Wir zitieren aus den Erläuterungen des Gesetzentwurfes:

Nach § 82 Absatz 3 Satz 1 sollen Grundschulen mit weniger als zwei Parallelklassen pro Jahrgang als Teilstandort einer anderen Grundschule geführt werden (Grundschulverbund), wenn der Schulträger die Fortführung für erforderlich hält. Auch Bekenntnisschulen und Weltanschauungsschulen können als Teilstandort in einen Grundschulverbund eingebracht werden. Nicht vorgesehen ist allerdings bislang die Konstellation eines Hauptstandortes in Form einer Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule und eines kleineren Teilstandortes in Form einer Gemeinschaftsgrundschule. Vor allem in Regionen, in denen es ein stark ausgeprägtes Angebot an Bekenntnisschulen gibt, besteht aber in der Praxis durchaus ein Bedürfnis für diese Variante, da es vorkommt, dass die Bekenntnisschule von den Schulen, die für einen Grundschulverbund in Frage kommen, die deutlich größere ist.

Für die Leitungen und den Lehrkörper in solchen Verbünden soll gelten:

Im Fall eines Grundschulverbunds, dessen Hauptstandort von einem Bekenntnis geprägt ist, wird die Schulleiterin oder der Schulleiter stets diesem Bekenntnis angehören. Am Teilstandort kommt es hingegen nicht darauf an, welchem Bekenntnis die dort mit der Leitung beauftragte Person angehört.

Die Lehrerinnen und Lehrer des bekenntnisgeprägten Schulstandorts können unbegrenzt auch an einem als Gemeinschaftsgrundschule geführten Teilstandort eingesetzt werden, die Lehrkräfte eines solchen Teilstandorts nach Maßgabe des § 26 Absatz 6 und 7 auch am bekenntnisgeprägten Hauptstandort.

Laizistische Sozialdemokraten finden konfessionsgebundene Grundschulen “anachronistisch, diskriminierend und ungerecht”

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Der Landtag von Nordrhein-Westfalen berät derzeit über Änderungen im Schulgesetz. Dies hat die Initiative “Sozis für Laizismus in NRW” zum Anlass genommen, einen offenen Brief mit ihren Forderungen an Landtagsabgeordnete zu schreiben, in dem die Abschaffung öffentlicher Bekenntnisschulen gefordert wird. Ein Auszug daraus:

Im Entschließungsantrag 15/2428 vom 20.07.2011 steht als Pt. 8 aufgelistet, dass kleine lokale Grundschulen erhalten werden sollen, auch unter Einbezug innovativer Konzepte.

Ein großer Schritt für „kurze Beine – kurze Wege“ wäre damit getan, die bisherigen überkommenen Strukturen abzuschaffen und die jetzigen konfessionsgebundenen Grundschulen in allgemeine Grundschulen umzuwandeln! Diese Schulen, die 100% aus öffentlichen Geldern finanziert werden, dürfen „unpassende“ Schüler aus der direkten Nachbarschaft ablehnen und / oder sie zum Religionsunterricht „zwingen“. Grundschulbesuch ist ein garantiertes Grundrecht. Die konfessionsgebundene Grundschule ist anachronistisch, diskriminierend und ungerecht.

(siehe auch: hpd.de, 23.8.2011, Schulgesetz in NRW: Fortschrittliche Möglichkeiten)


Zum Hintergrund:

Laizismus bezeichnet die Trennung von Staat und Religion. Deutschland ist kein laizistischer Staat, hier gilt eine “hinkende Trennung”, das Verhältnis von Kirche (bzw. Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften) und Staat ist partnerschaftlich. Es gibt Konkordate und andere Staatskirchenverträge, die Kirchen und Religionsgemeinschaften Sonderrechte einräumen.

Zu diesen Privilegien gehören die öffentlichen Bekenntnisschulen in NRW, deren Bestand auf dem Reichskonkordat des damaligen Deutschen Reiches mit dem Heiligen Stuhl aus dem Jahr 1933 beruht.

In einer im Februar 2013 vogestellten Studie stellt der Zeithistoriker und Forscher Prof. Dr. Thomas Großbölting vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster angesichts wachsender religionspolitischer Konflikte ein Verharren in den 1950er Jahren fest: „Politik und Kirchen unterschätzen den Handlungsbedarf notorisch. Sie nehmen Veränderungen erst wahr, wenn sie als Probleme auftreten. Sie nehmen Veränderungen erst wahr, wenn sie als Probleme auftreten.“ Eine weitsichtige Politik, die alle Religionsgemeinschaften gleich behandle, sei nicht in Sicht. „Stattdessen herrscht ein System der hinkenden Trennung von Kirche und Staat, das in der Nachkriegszeit entstanden ist“, so der Historiker. „Vieles davon hat sich bis heute erhalten: die Kirchensteuer, der Religionsunterricht an staatlichen Schulen oder der Sitz von Kirchenvertretern in Rundfunkgremien.“ Die Rechte und Ansprüche Andersgläubiger sowie der wachsenden Gruppe an Religionslosen hingegen fielen unter den Tisch.

MGS als Sonderform der EGS?

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In Euskirchen (NRW) will eine mennonitische Gemeinde eine neue Grundschule errichten:

[…] Wie Jakob Bergen berichtete, haben die Mennoniten erneut einen Antrag auf Erlaubnis zur Gründung einer Grundschule gestellt. 2008 waren sie damit gescheitert. Die Bezirksregierung argumentierte, in Euskirchen existiere bereits eine öffentliche evangelische Bekenntnisschule. „Wir sind aber eine andere Art von Glaubensgemeinschaft und meinen, dass uns eine Grundschule zusteht“, so Bergen. „Grund- und Realschule, also die Jahrgänge eins bis zehn, könnten wir einzügig unter einem Dach unterbringen. Der Platz dafür ist da.“

s. ksta.de, 7.9.2011, Mennoniten nun in der Gertrudisschule

Reaktionen auf den Fall Zeynep in Mönchengladbach

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In Mönchengladbach soll ein Mädchen von der Öffentlichen Evangelischen Grundschule verwiesen werden, weil die Eltern es vom Religionsunterricht abgemeldet haben (wir berichteten, siehe auch den Artikel Schulverweis oder Religionsunterricht, aus Die Zeit Online, 20.7.2011, allein im dortigen Forum gab es 685 Kommentare). Der Fall schlägt Wellen, es gibt zahlreiche Reaktionen, in NRW und weit darüber hinaus.

Zeitungsartikel in Mönchengladbach und Region

  • Der Westen, 23.7.2011, Muslimisches Mädchen wird von evangelischer Grundschule geworfen
    “Mittlerweile hätten sich bereits 15 andere muslimische Familien gemeldet, so der Vorsitzende des Vereins, die ihre Kinder auch vom Religionsunterricht befreien lassen wollten.”
    Bemerkung am Rande: Der Moderator der Kommentarfunktion hatte gut zu tun. 30 von 53 Kommentaren zum Artikel wurden blockiert. Einige der verbliebenen Kommentare lassen die Vermutung zu, dass die Grenzen noch nicht einmal eng gesteckt waren. 
  • RP Online vom 27.07.2011, “Schule: Abmeldeflut in Religion?
    “Seit ein paar Jahren stellen Ulus und seine Mitstreiter im Verein Veränderungen fest: Seit die Schulen ein Schulprofil erstellen müssen, legen viele Bekenntnisschulen wieder gesteigerten Wert auf ihre christliche Ausrichtung. […] In Mönchengladbach sind fast die Hälfte aller Grundschulen Bekenntnisschulen. Würden alle Kinder mit Migrationshintergrund an Gemeinschaftsgrundschulen angemeldet, dann gäbe es dort einen Migrantenanteil von 60 bis 70 Prozent”, sagt Ulus.”
  • RP Online vom 27.07.2011, “Fach Religion: Türken werben für Abmeldung
    “Eine Abmeldung vom Religionsunterricht von Bekenntnisschulen ist rechtlich möglich, sagt eine Sprecherin des Schulministeriums. In diesem Fall müsse die Schule ihre Aufsichtspflicht wahren und für eine Betreuung sorgen.”
  • RP Online vom 28.07.2011, “Religionsunterricht ist nicht gefährlich”
    Toleranz ist für Regionaldekan Clancett wichtig, “aber wenn ich mein Kind an einer konfessionellen Schule anmelde, dann sehe ich auch das Schild an der Tür und erkenne die Ausrichtung”. Das gelte nicht nur für Bekenntnisschulen. “Ich würde mein Kind auch nicht an einem Sportgymnasium anmelden, wenn es völlig unsportlich ist.”
  • RP Online, 29.07.2011, Muslime können von “Reli” befreit werden
    “Ministeriums-Sprecherin Barbara Löcherbach bekräftigte auf RP-Nachfrage, dass die laut Landesverfassung (Art. 14) und Schulgesetz (§ 31 Abs. 6) mögliche Befreiung vom Religionsunterricht auch für konfessionelle Grundschulen gelte.”

Evangelische Kirche

Endlich äußert sich auch die Evangelische Kirche, die bisher zu dem Themenkomplex schwieg (RP online, 11.8.2011, “Bekenntnisschulen haben klares Profil“). Oberkirchenrat Klaus Eberl erklärt:

“Wer auf der einen Seite eine konfessionelle Schule wählt und diese konfessionelle Erziehung auf der anderen Seite ablehnt, verhält sich nicht konsequent.” Als Alternative hätten die Eltern eine der 22 Gemeinschaftsgrundschulen in der Stadt wählen können.

Uns würde interessieren, wieviele evangelische Pfarrer so konsequent sind, ihren Kindern lieber 3 km Schulweg zuzumuten, als sie bei der katholischen Bekenntnisschule um die Ecke anzumelden.

Humanistisch-atheistische Reaktionen

Reaktionen aus der Landespolitik und dem Schulministerium

Schulministerin Sylvia Löhrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stellte sich hinter die Entscheidung der Schulaufsicht (s. ead.de: Deutschland: Muslima von evangelischer Schule verwiesen). Am 6.12.2011 nahm sie auf abgeordnetenwatch selbst Stellung und bekräftigte, dass in diesem Fall eine Befreiung vom Religionsunterricht nicht erfolgen durfte und der Schulverweis rechtens ist: http://www.abgeordnetenwatch.de/sylvia_loehrmann-231-40135–f299936.html#q299936.

Eine Ministeriums-Sprecherin dagegen wird am 29.7.2011 in RP Online (Hilden: Muslime können von Reli befreit werden) wie folgt zitiert:

“Ministeriums-Sprecherin Barbara Löcherbach bekräftigte auf RP-Nachfrage, dass die laut Landesverfassung (Art. 14) und Schulgesetz (§ 31 Abs. 6) mögliche Befreiung vom Religionsunterricht auch für konfessionelle Grundschulen gelte.”

Die Fraktion der LINKEN im Landtag von NRW nimmt den Fall zum Anlass, eine “Kleine Anfrage an die Landesregierung” zu stellen:

“Mit unserer Anfrage wollen wir auch erfahren, ob so etwas in Nordrhein-Westfalen schon öfter vorgekommen ist, ohne dass die breite Öffentlichkeit davon erfahren hat. Wenn diese Diskriminierung kein Einzelfall ist, ist die Landesregierung dringend zum Handeln aufgefordert. Auch sind wir sehr gespannt auf die Rolle des Schulministeriums in diesem Fall.” (s. http://www.linksfraktion-nrw.de/nc/presse/aktuell/detail/artikel/linke-fragt-warum-musste-zeynep-die-schule-verlassen/)

Am 20.9.2011 erklärt die Landesregierung in ihrer offiziellen Antwort, dass die Schulleitung ihrer Ansicht nach in diesem Fall befugt ist, “ihre Aufnahmeentscheidung zurückzunehmen”.

Türkisch-deutsche Community

Zeyneps Schulverweis ist ein Skandal (SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung)

Ausländische Medien

Das niederländische “Reformatorisch Dagblad” veröffentlichte am 4.8.2011 einen Artikel mit dem Titel Duitse protestantse school stuurt moslimmeisje weg, der auf einer Meldung der deutschen evangelikalen Nachrichtenagentur idea (s. unten, weitere Informationen) beruht.

Blogs und Online-Foren

Stellvertretend für das rechte Spektrum sei hier die Reaktion eines Nutzers genannt, der schreibt (auf eine Verlinkung verzichten wir aus naheliegenden Gründen):

“Wenn die Eltern mit ihrer Klage durchkommen, werden in kürzester Zeit alle christlichen Konfessionsschulen moslemisch unterwandert und unbrauchbar sein.”

Bemüht diplomatischer ist der Blogeintrag mit dem Titel “Was sich Muslime in Deutschland einbilden…“. Der Autor Thomas Schneider, auf dessen Webseiten auch für die rechtsnationale Publikation “Junge Freiheit” geworben wird, täuscht sich allerdings, wenn er davon ausgeht, es handle sich um eine Schule in kirchlicher Trägerschaft. Schneider war bis vor kurzem Leiter der idea-Geschäftsstelle Ost (idea ist eine evangelikale Nachrichtenagentur, die sich in der Vergangenheit mit dem Vorwurf rechtsextremer Tendenzen auseinandersetzen musste).

Auf dem Blog Sägefisch: Pädagogische Islamkritik findet sich eine Petition der Sozialpädagogen Edward von Roy und Gabi Schmidt an den Landtag NRW. Sie schreiben:

“Eine gewünschte Nichtteilnahme am Religionsunterricht begründet auch an einer konfessionellen Schule keinen Schulverweis. […] Falls die Evangelische Grundschule Pahlkestraße einen christlich zu nennenden zwischenmenschlichen Umgang kultiviert, wird dieser sich in der Begegnung der Lehrerkollegen untereinander und vor allem im Umgang des Lehrers mit dem Schüler und dessen Eltern ohnehin zeigen, eines religionskundlichen oder gar bekennenden Religionsunterrichts mit Teilnahmepflicht für nichtchristlich sozialisierte Kinder bedarf es zum realisierten christlichen Schulprofil nicht.”

Kontrovers diskutiert wird das Thema auch im juristischen “Forum Deutsches Recht”: http://www.recht.de/phpbb/viewtopic.php?t=218544

Hoberge: Umwandlung in EGS als Mittel zum Zweck des Erhalts einer Schule

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Sieh einer an. Manchmal wird auch umgekehrt umgewandelt, weil Bekenntnisschulen kleiner sein dürfen als Gemeinschaftsgrundschulen und der Status einer Bekenntnisschule hilft, eine Schule vor Ort zu erhalten. Auch hier scheint der Religionsgedanke im wesentlichen Mittel zum Zweck zu sein. Wir kritisieren nicht, dass Eltern und Schulen alles versuchen, um ihre Schule vor Ort zu erhalten, andernfalls wäre der Name der Initiative falsch gewählt.  Aber wir fordern gleiche Rechte für alle Lehrkräfte und Schüler/innen im öffentlichen Schulsystem. Ganz offensichtlich sind in NRW konfessionelle Schulen in vieler Hinsicht privilegiert. Die Landesverfassung sieht zwar Bekenntnisschulen vor, und es ist nicht an uns, an diesem Status zu rütteln. Aber wir können nicht akzeptieren, dass der vom Grundgesetz garantierte Schutz der Religionsfreiheit von der Verwaltung in NRW einseitig so ausgelegt wird, dass selektiv Religionsgemeinschaften faktisch auf Kosten aller Steuerzahler privilegiert werden. Es geht der Initiative nicht darum, religiöse Überzeugungen in Frage zu stellen – aber das Bekenntnisprivileg darf in einem öffentlichen Schulsystem im 21. Jahrhundert nicht mehr so interpretiert werden. Sagt übrigens auch die Landesverfassung in Art. 8 Abs. 1: “[…] Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, daß das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht.”

Zum Thema:

“Die Grundschule Hoberge wird eine evangelische Bekenntnisschule. Die Eltern haben mit großer Mehrheit für die Umwandlung der Schule gestimmt. 89 sprachen sich dafür und nur vier dagegen aus. Damit ist die letzte Hürde genommen. Der Rest ist nur noch eine Formalie. Damit kann die Grundschule nicht mehr von der Stadt geschlossen werden.”
Radio Bielefeld, 14.7.2011, Eltern für Bekenntnisschule Hoberge

Zum Hintergrund aus einem früheren Artikel:

“Für Bekenntnisschulen gelten nicht die Richtgrößen für Grundschulen, wonach im Idealfall 196 Kinder in acht Jahrgangsklassen unterrichtet werden sollen. Die Grundschule Hoberge könnte als kleinere Einheit weitergeführt werden, wäre auch bei der Debatte über Schulschließungen in Bielefeld »außen vor«.”
Westfalen-Blatt, 4.2.2011, Hoberge: Umwandlung in Bekenntnisschule


zum Thema Schulschließungen in Bielefeld (Stadtelternrat, 9.5.2011): Bis zu vier Grundschulen sollen schließen


UPDATE DEZEMBER 2011

Umwandlung schützt vor Schließung nicht – zumindest berichtet das die nw-news.de am 9.12.2011 im Artikel “Kleine Klassen, große Klassen“:

Krisengebiet bleibt Dornberg: Die Grundschule Hoberge-Uerentrup, gerade erst zur evangelischen Bekenntnisschule gewandelt, hat 16 angemeldete Kinder, darunter ein vorgezogenes im Alter von vier Jahren und ein Kind mit Schwerstmehrfachbehinderungen. Gilt bei anderen Grundschulen die Zahl 18 als Untergrenze für eine Eingangsklasse, ist es an Bekenntnisschulen die 15 – Hoberge liegt also mit einem Kind drüber. Bisher galt vor Ort immer das Argument, dass die Grundschule ja mit Klassengrößen um die 25 vollkommen im guten Mittel liege, das scheint nun gefährdet.

Kaarst: Schulbus nur noch für katholische Kinder

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Sachen gibt’s. Da muss eine Kommune Geld sparen, entdeckt dabei die Schulbusse und plötzlich fahren diese nur noch für katholische Kinder? Die Zusammenhänge sind sicherlich komplexer, aber dieser Artikel aus der Neuss-Grevenbroicher Zeitung gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Dreiteilung in Gemeinschaftsgrundschulen, katholische und evangelische Bekenntnisschulen und Weltanschauungsschulen die Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen richtig viel Geld kostet.

“Um Geld zu sparen, hat der Rat im Dezember vergangenen Jahres entschieden, dass der Schulbusspezialverkehr neu ausgeschrieben wird und künftig nur noch Kindern mit Anspruch auf Fahrtkostenübernahme zugutekommt. Das bedeutet, sie wohnen mindestens zwei Kilometer von der nächstgelegenen Schule entfernt oder sie besuchen aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses die katholische Grundschule. Im diesem Fall ergibt sich der Anspruch, weil es in Kaarst nur eine katholische Bekenntnisschule gibt.

Allein für rund 70 Kinder aus Driesch, Vorst und Holzbüttgen, die derzeit die Gemeinschaftsgrundschule an der Römerstraße besuchen, heißt das: kein Schulbus mehr, obwohl der für Schüler der katholischen Grundschule nach wie vor fährt. Das finden die betroffenen Eltern der GGS Büttgen ungerecht.”

NGZ Online, 14.7.2011, Kaarst: Eltern wollen privaten Schulbus

“300m vs. 3 km” oder “Über Bekenntnishomogenität und Zwangskirchenbesuch in Mönchengladbach”

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In einem Schreiben von März 2010 erklärte uns ein Referent aus dem Schulministerium, dass sich aus der Landesverfassung “als prägender Gesichtspunkt in formeller Hinsicht [ergibt], dass eine Bekenntnisschule nach der Zusammensetzung des Lehrkörpers und der Schülerschaft grundsätzlich bekenntnishomogen ist.” Das ist tatsächlich ein rein formales Kriterium – die allermeisten Schulen in NRW sind nämlich alles andere als bekenntnishomogen, wie ein Blick in die Schulstatistik zeigt: Danach gehören dem Schulbekenntnis an den katholischen Grundschulen des Landes durchschnittlich 59% der Kinder an, an Evangelischen Grundschulen gar nur 46% (s. Zahlen und Statistisches). Im gleichen Schreiben berichtete der Referent über die Anmeldesituation an den 20 Bonner KGS im Herbst 2009, wonach “keine Schule bekenntnishomogen zusammengesetzt [war]. An 14 der 18 katholischen Grundschulen überwog die Zahl der Anmeldungen von bekenntnisfremden oder bekenntnislosen Kindern.

Das Schulgesetz (§26 VII) regelt hierzu:

An einer Bekenntnisschule mit mehr als zwölf Schülerinnen und Schülern einer konfessionellen Minderheit ist eine Lehrerin oder ein Lehrer des Bekenntnisses der Minderheit einzustellen, die oder der Religionsunterricht erteilt und in anderen Fächern unterrichtet. Weitere Lehrerinnen und Lehrer des Bekenntnisses der Minderheit sind unter Berücksichtigung der Zahl der Schülerinnen und Schüler der Minderheit und der Gesamtschülerzahl der Schule einzustellen.

Wir gehen davon aus, dass die Regelung aus einer Zeit stammt, als noch fast alle Kinder christlich getauft waren und Familien für konfessionelle Erziehung im eigenen Bekenntnis gerne weitere Wege in Kauf genommen haben (siehe dazu Kirche und Politik in den 50er Jahren). Die Zeiten haben sich geändert – man wird nur noch wenige Schulen in NRW finden, wo nicht laut obigem Gesetz Religionsunterricht im abweichenden Bekenntnis erteilt werden müsste, oder auch islamkundlicher Unterricht bzw. Ethikunterricht für nichtreligiöse Kinder, sofern man den zugrundeliegenden Gedanken der gesetzlichen Regelung im Licht der heutigen Situation interpretiert. Allerdings kommt die Regelung nicht zum Tragen, statt dessen wird verlangt, dass Eltern eine Bekenntniserklärung unterschreiben, mit der sie sich dem Schulbekenntnis unterordnen. Tatsache ist: Die allermeisten Eltern wollen ihr i-Dötzchen heute unabhängig von Konfession und Religion auf die nächstgelegene öffentliche Schule schicken.

So auch in Mönchengladbach. Dort sind rund die Hälfte aller Grundschulen Bekenntnisschulen, fast alle katholisch. Für Kinder aus bekenntnislosen oder muslimischen Familien ist die Auswahl damit erheblich eingeschränkt, wenn sie sich nicht auf die Unterrichtung und Erziehung im Sinne eines christlichen Bekenntnisses einlassen wollen. Dennoch ist für die meisten Familien die Nähe zum Wohnort das entscheidende Kriterium. So entschied sich auch eine türkischstämmige Familie, ihr Kind an der wohnortnächsten Evangelischen Grundschule anzumelden. Die Familie war jedoch nicht einverstanden damit, dass das Kind verpflichtend an Religionsunterricht und Gottesdienst teilnehmen musste, und meldete ihre Tochter hiervon ab. Die Schule schrieb zurück, dass sie den Aufnahmebescheid infolgedessen aufhebe und das Kind sich eine andere Schule suchen solle. Für die Familie war dies nicht akzeptabel, sie wandte sich an einen Rechtsanwalt und klagte gegen die Entscheidung der Schule. Eine gerichtliche Klärung steht noch aus (Nachtrag: In der Zwischenzeit wurde das Verfahren ohne Entscheid in der Sache eingestellt).

Übrigens stellen muslimische Kinder an dieser Grundschule die größte Gruppe dar: Von den 287 Schüler/innen sind 26% muslimisch – und nur knapp 18% gehören als evangelisch getaufte Kinder dem Schulbekenntnis an. Nicht viel anders ist die Situation an zahlreichen weiteren Konfessionsschulen.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen interpretiert in einem Beschluss vom 9. Mai 2008 (4 L 1143/07) das Schulgesetz so, dass eine Schule ihren Bekenntnischarakter verliert, wenn mehr als ein Drittel der Schüler/innen nicht dem Bekenntnis angehören. Das ist in Mönchengladbach im Schuljahr 2010/11 an 13 von 20 Bekenntnisgrundschulen der Fall. Lediglich an 4 Bekenntnisschulen liegt der Anteil bekenntnisfremder Schüler unter 30%, an keiner einzigen unter 20% (siehe Konfessionelle Verteilung an Mönchengladbacher Bekenntnisschulen). Allerdings ergeben sich daraus keine unmittelbaren Konsequenzen, es gibt keinen Automatismus der Umwandlung.

s. auch Die Zeit Online, 20.7.2011, “Schulverweis oder Religionsunterricht

Stadtelternrat stimmt Verlagerung der Kardinal-Bertram-Schule nach Sudheim zu

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An niedersächsischen öffentlichen Bekenntnisschulen gilt anders als in NRW ein Quorum. Das führt angesichts des Rückgangs der Schülerzahlen zu Diskussionen wie in Northeim:

“Bei einer Bekenntnisschule wie der katholischen KBS dürfen nur maximal 30 Prozent der Kinder einem anderen Glauben angehören. Um die Verlagerung der Schule in die Grundschule Sudheim verwirklichen zu können, soll eine Ausnahmegenehmigung beim Kultusministerium beantragt werden, von diesem Quorum abzuweichen.

Voraussichtlich wären nach einer Verlagerung der KBS nach Sudheim dort über die Hälfte der Schüler nicht-katholischen Glaubens. Deshalb fordert der Stadtelternrat insbesondere für die katholischen Schüler eine in allen Belangen konfessionsgerechte Beschulung. Andererseits müsse für die nicht-katholischen Kinder aus Sudheim und Bühle ein langfristiger Anspruch auf Beschulung in Sudheim gesichert werden, sollte das Kultusministerium der Abweichung vom Quorum zustimmen.”

Dem Kommentar im Forum zum Artikel ist nichts hinzuzufügen: “die Frage bleibt: welchen Sinn macht heute und in Zukunft eine konfessionsgebundene Grundschulbildung?”

HNA Online, 11.7.2011, Stadtelternrat stimmt Verlagerung der Kardinal-Bertram-Schule nach Sudheim zu

SPD und Grüne in Bonn fordern “zeitgemäße Regelung” für Umwandlung von Bekenntnisschulen

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Am 29.6.2011 befasste sich der Bonner Schulausschuss mit der gescheiterten Umwandlung der KGS Buschdorf in eine Gemeinschaftsschule.

In ihrem “Fach-Newsletter Schule, Jugend & Familie” Nr. 2/2011 nimmt die Bonner SPD-Ratsfraktion Stellung zum gescheiterten Umwandlungsversuch an der KGS in Bonn-Buschdorf:

Bereits zum zweiten Mal in Folge haben Eltern der KGS Buschdorf eine Umwandlung ihrer konfessionellen in eine Gemeinschaftsschule beantragt. Wie beim ersten Mal entschieden sich zwar zwei Drittel der abgegebenen Stimmen für diese Umwandlung, das notwendige Quorum wurde jedoch erneut nicht erreicht. Zwei Drittel aller Eltern an der Schule müssen einer Umwandlung zustimmen, nicht nur die abgegebenen Stimmen zählen. Anders als bei anderen demokratischen Abstimmungen zählt Nichtbeteiligung demzufolge als Neinstimme. Wenn dies zum Beispiel auf die Wahlen zu Bundes-, Landes- und Kommunalparlamenten übertragen würde, käme es angesichts der immer geringer werdenden Wahlbeteiligung vielleicht gar nicht mehr zur Bildung neuer Regierungen. Angesichts dieser Entwicklung wurde die Verwaltung gebeten, sich bei der Landesregierung dafür einzusetzen, im kommenden Schulgesetz eine zeitgemäße Regelung zu verankern.

s. Homepage der Bonner SPD-Ratsfraktion

Die Grünen schreiben in ihrem Newsletter:

Die Grünen merkten an, dass durch dieses Verfahren die Hürden für eine Umwandlung sehr hoch gehangen würden. Bedenklich sei, dass nicht die Mehrheit der Wählerstimmen zählt, sondern es einer zwei-drittel Mehrheit aller Eltern bedürfe. Deshalb wurde die Verwaltung aufgefordert, in Richtung Land aktiv zu werden, die Problematik darzustellen und auf eine Änderung dieser Bestimmung hinzuwirken.

Eher unwahrscheinlich ist allerdings, dass die Bonner Schulverwaltung die Landesregierung dazu bewegen kann, das Schulgesetz in diesem Sinne zu ändern, zumal hierzu kein förmlicher Beschluss des Rates zustande kam. Auch erwähnenswert in diesem Zusammenhang: Bis heute ist uns keine Antwort auf die Resolution des Stadtrats Bonn vom September 2009 bekannt.


Weitere Infos zu den Umwandlungsversuchen in Buschdorf:
Grundschule Buschdorf: Elternwille scheitert an gesetzlicher Regelung