NRW-Piraten fragen nach Aufnahmekriterien an Bekenntnisgrundschulen

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12. August 2012

Eigentlich hatte die NRW-Piratin Monika Pieper eine ganz einfache Frage: Welche Aufnahmeregeln gelten eigentlich an jenem Drittel aller Grundschulen des Bundeslandes, die zwar Bekenntnisschulen sind, sich aber in staatlicher Trägerschaft befinden und ausschließlich aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden?

Seit dem Wegfall  der Schulbezirke für Grundschulen 2008 gibt es jedes Jahr Probleme, wenn Eltern ihre Kinder an der Grundschule anmelden. So manche Familie fiel seitdem aus allen Wolken, als sie den Platz an der nächstgelegenen Wunschschule nicht bekam, während weiter entfernt wohnende Kinder mit dem richtigen Bekenntnis einen Platz erhielten.

Das Schulgesetz legt in dieser Frage scheinbar eindeutig fest: “Jedes Kind hat einen Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität.”

Was aber, wenn es sich bei der gewünschten Schule um eine Bekenntnisschule handelt, das Kind aber nicht im Bekenntnis getauft ist?

Ausführlichere Regelungen enthält die Ausbildungsordnung Grundschule (AO-GS), die ausdrücklich festlegt, wie bei einem Anmeldeüberhang zu verfahren ist: Kinder mit Wohnsitz in der Gemeinde seien vorrangig zu berücksichtigen, ebenso wie Härtefälle. Ansonsten gelten die Kriterien Geschwisterkinder, Schulwege, Besuch eines Kindergartens in der Nähe der Schule, ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen, und ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache.

Die Ausbildungsordnung Grundschule verliert also kein Wort über Religion und Bekenntnis.

An dieser Stelle setzt die Kleine Anfrage der Piraten an, auf die die Landesregierung am 7.8.2012 antwortete (Drucksache 16/499):

1. Kommen bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisgrundschule für das Schuljahr 2012/2013 ausschließlich die unter §1 Abs. 3 der Ausbildungsordnung Grundschule (AO-GS) genannten fünf Kriterien zum Tragen?

Antwort der Landesregierung:
Ja. 

Man sollte denken, dass sich damit die Beantwortung der beiden weiteren Fragen erübrigt, wenn doch ausschließlich diese Kriterien Gültigkeit haben. Tatsächlich und konsequent bleibt Frage 2 ohne Antwort:

2. Wenn andere Kriterien zum Tragen kommen, welche sind das?

In der Antwort auf Frage 3 erklärt die Landesregierung, wieso es zwar keine weiteren Kriterien für die Aufnahme an Bekenntnisschulen gibt, getaufte Kinder aber trotzdem vorrangig behandelt werden müssen:

3. Falls andere Kriterien zutreffen, wo sind eben diese Kriterien geregelt?

Antwort der Landesregierung:
Abgesehen von den Kriterien in § 1 Abs. 3 AO-GS haben bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisschule Kinder, die dem Bekenntnis angehören, bei der Aufnahme einen Vorrang gegenüber den anderen Kindern (Nr. 1.23 der Verwaltungsvorschriften zur AO-GS – BASS 13-11 Nr. 1.2). Diese Klarstellung ergibt sich aus den Merkmalen einer Bekenntnisschule, wie sie in Art. 12 Abs. 6 der Landesverfassung und § 26 Abs. 3 Schulgesetz (SchulG) bestimmt sind. Sie ist der Anwendung der Vorschriften des § 46 Abs. 3 SchulG und des § 1 Abs. 2 und 3 AO-GS vorgeschaltet.

Noch im März 2010 hat uns übrigens das Schulministerium als Antwort auf unsere Petition erklärt, eine Ablehnung von Kindern aufgrund ihrer Konfession sei dann nicht rechtens, wenn die Eltern ausdrücklich erklären, dass sie eine Unterrichtung und Erziehung im Schulbekenntnis wünschen. In der Stellungnahme des Ministeriums heißt es:
“Einen Anspruch auf Aufnahme [haben] zunächst nur diejenigen Kinder, die dem jeweiligen Bekenntnis angehören. Aus Gründen des Art. 4 GG sind diesen Kindern solche gleichzustellen, die ausdrücklich Unterricht und Erziehung in dem Bekenntnis wünschen. Bei einem Anmeldeüberhang ist richtigerweise zunächst die Konfessionszugehörigkeit der Aufnahmewilligen bzw. die Erklärung der Eltern, das Kind im Sinne des Bekenntnisses erziehen zu wollen, zu berücksichtigen.”

Der Kölner Rechtsanwalt Dr. Christian Birnbaum ist übrigens der Ansicht, dass die Konfession so oder so keine Rolle spielen darf:

“Insgesamt enthalten §§ 1 AO-GS, 1 APO-S I für das Aufnahmeverfahren abschließende Regelungen, so dass weitere, nicht aus diesen Regelungen hervorgehende Aufnahmekriterien nicht zulässig sind. Deshalb darf an staatlichen Schulen, auch an Bekenntnisschulen, die Konfession für die Aufnahmeentscheidung keine Rolle spielen. Die anders lautende Regelung in Nr. 1.23 S. 4 VVzAO-GS ist – wie auch die der Verwaltungsvorschrift entsprechende Behördenpraxis – rechtswidrig.”

Wir sind gespannt, ob sich die Piraten mit der Antwort der Landesregierung zufriedengeben.

Rechtliche Grundlagen
Hier die im Schreiben der Landesregierung genannten Rechtsgrundlagen in der Reihenfolge ihrer Nennung

§ 1 Abs. 3 AO-GS

Im Rahmen freier Kapazitäten nimmt die Schule auch andere Kinder auf. Bei einem Anmeldeüberhang führt die Schule ein Aufnahmeverfahren unter diesen Kindern durch. Dabei werden Kinder mit Wohnsitz in der Gemeinde vorrangig berücksichtigt. Die Schulleiterin oder der Schulleiter berücksichtigt Härtefälle und zieht im Übrigen eines oder mehrere der folgenden Kriterien für die Aufnahmeentscheidung gemäß § 46 Abs. 2 SchulG heran:
1. Geschwisterkinder,
2. Schulwege,
3. Besuch eines Kindergartens in der Nähe der Schule,
4. ausgewogenes Verhältnis von Mädchen und Jungen,
5. ausgewogenes Verhältnis von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Muttersprache.

Nr. 1.23 der Verwaltungsvorschriften zur AO-GS

Die Wahl der Schulart steht den Eltern zu Beginn eines Schuljahres frei (§ 26 Abs. 5 SchulG).
In eine Bekenntnisschule darf ein Kind aufgenommen werden, wenn es entweder
a) dem entsprechenden Bekenntnis angehört oder
b) dem Bekenntnis nicht angehört, die Eltern (§ 123 SchulG) aber ausdrücklich übereinstimmend wünschen, dass es nach den Grundsätzen dieses Bekenntnisses unterrichtet und erzogen werden soll.
Im Ausnahmefall sind Kinder als Minderheit dann in eine Bekenntnisschule aufzunehmen, wenn eine öffentliche, ihrem Bekenntnis entsprechende Schule oder eine Gemeinschaftsschule auf dem Gebiet des Schulträgers nicht besteht oder nur bei Inkaufnahme eines unzumutbaren Schulweges erreichbar ist.
Bei einem Anmeldeüberhang an einer Bekenntnisschule haben Kinder, die dem Bekenntnis angehören, bei der Aufnahme einen Vorrang gegenüber den anderen Kindern.

§26 Abs. 3 SchulG

In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen. Zum evangelischen Bekenntnis im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die bekenntnisverwandten Gemeinschaften.

§46 Abs. 3 SchulG

Jedes Kind hat einen Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität.

§1 Abs 2 AO-GS

Jedes Kind hat einen Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität (§ 46 Abs. 3 SchulG). Bei einem Anmeldeüberhang sind die Kriterien des Absatz 3 für die Aufnahmeentscheidung heranzuziehen.

Siehe dazu auch den Artikel Rechtsgrundlagen von Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen.

GEW kritisiert Ausklammerung der Bekenntnisschulproblematik bei Schulrechtsänderung

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In einer uns vorliegenden Stellungnahme von DGB NRW und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom April 2012 kritisiert die Gewerkschaft deutlich, dass der nordrhein-westfälische Schulkonsens die Bekenntnisschulproblematik ausgeklammert hat.

Die Gewerkschaften betonen in ihrer Stellungnahme zum Entwurf der Regierung für ein Schulrechtsänderungsgesetz (Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung eines qualitativ hochwertigen und wohnungsnahen Grundschulangebotes in Nordrhein-Westfalen), wie wichtig es ist, im Grundschulbereich dem Prinzip „Kurze Beine – Kurze Wege“ Rechnung zu tragen. Die Stellungnahme lobt auch die Absicht des Gesetzgebers, “auf die zurückgehenden Schülerzahlen zu reagieren ohne landesweit das wohnungsnahe Grundschulangebot zu gefährden”.

Die Stellungnahme enthält aber auch eine massive Kritik in Form einer ungewohnt klaren Aussage zum Thema Bekenntnisschulen:

“Die grundsätzliche Entscheidung zur Abschaffung der Bekenntnisschulen und damit die Entscheidung für eine „Schule für alle Kinder“ auch im Grundschulbereich werden weiterhin ausgeklammert. Dies widerspricht dem Recht auf ein inklusives Schulsystem.”

Zitiert aus der Stellungnahme des DGB NRW und der GEW NRW zum Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung eines  qualitativ hochwertigen und wohnungsnahen Grundschulangebotes in Nordrhein-Westfalen (8. Schulrechtsänderungsgesetz), S. 2

Katholische Eltern: Katholische Bekenntnisschulen sind für Zukunft der Gesellschaft von unschätzbarer Bedeutung

Auch die Katholische Elternschaft Deutschlands (KED NRW) hat eine Stellungnahme zum Thema abgegeben. Sie fordert, wenig überraschend:

“Gerade heute [ist] das besondere, rechtlich geforderte und geschützte Angebot von katholischen Bekenntnisschulen, nämlich Unterricht, Erziehung und Gestaltung des Schullebens unter besonderer Berücksichtigung der Grundsätze der katholischen Kirche, für die Zukunft unserer Gesellschaft von unverzichtbarer Bedeutung.”

 

Schulartänderungen in Köln und Bonn – gibt es einen Trend zur konfessionslosen Schule?

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(zuletzt aktualisiert am 29.6.2012)

“Schulen werden zunehmend konfessionslos.” So betitelt Welt Online einen Artikel am 28.3.2012. Und der Kölner Stadt-Anzeiger fragt: “Sind Konfessionsschulen eigentlich noch zeitgemäß?” Die Kölner Schuldezernentin wird zitiert, sie sieht einen “gewissen Trend” zur Umwandlung von katholischen in nicht konfessionsgebundene Schulen.

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Schulministerin Löhrmann begründet, warum eine Umwandlung von Bekenntnisschulen nicht erleichtert werden sollte

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Aus dem Wahlprogramm der Grünen von 2010:

“Bei der Aufnahme an den Grundschulen dürfen Kinder nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert werden.”

Die Schulministerin und erneute Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann (katholisch) fühlt sich daran nicht gebunden. Sie findet, dass die extrem hohe Hürde für die Umwandlung von Bekenntnisgrundschulen in Gemeinschaftsgrundschulen in Nordrhein-Westfalen auf gar keinen Fall gesenkt werden darf. Ihre 5 dämlichsten Begründungen lauten:

1) “Die Absenkung des Quorums bei den Grundschulen wäre vermutlich mit einem erheblichen Konflikt mit den Kirchen, vor allem der katholischen Kirche verbunden.” (Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Dagegen kann man nichts sagen: Etwas fordern, obwohl es der Kirche, womöglich sogar der katholischen, nicht passen könnte? Ausgeschlossen. Zumal für eine gläubige Katholikin. Man stelle sich nur vor, das wäre in der Vergangenheit so gehandhabt worden: Womöglich würde heute in der Schule gelehrt, dass die Erde rund ist und sich Menschen und Affen im Zuge der Evolution aus gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben. Oder es gäbe Sexualkundeunterricht. Pfui Teufel.

2) “Der Gesetzgeber hat im Schulgesetz bei den Grundschulen im Interesse eines stabilen Angebots unter­schiedlicher Schularten hohe Hürden für die Umwandlung der Schulart gesetzt.”  (Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Stimmt. Wenn man das Quorum absenkt, würde womöglich ab und zu eine Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umgewandelt, nur weil eine Mehrheit der betroffenen Eltern das möchte: z.B. die KGS Kettelerschule in Bonn-Dransdorf im März 2012, die KGS Buschdorf, oder die KGS Kapellenschule in Gütersloh, die KGS Liebfrauenschule in Emmerich, etc.

Und das gegen den Willen der Kirche? Aber: “Kirche ist keine Demokratie”, warum sollte also ein einfaches Mehrheitsrecht an Bekenntnisschulen gelten? So was neumodisches gibt es in vollständig öffentlich finanzierten Kirchenkindergärten ja auch nicht.

3) “Die Absenkung des Quorums bei den Grundschulen […] würde im Landtag einen Konsens voraus­setzen, wie er […] derzeit nicht besteht.”
(Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Eine politische Forderung erheben, die nicht durch einen breiten Konsens abgesichert ist? Nee klar, geht gar nicht. Das lernt doch jedes Kind in der Schule: Politik setzt voraus, dass man sich vorher beim Ringelpiez mit Anfassen darauf geeinigt hat. So haben die Grünen den Ausstieg aus der Atomenergie erreicht, nicht anders haben die Bürgerrechtler den Fall der Mauer mit der SED klargemacht und so hat wahrscheinlich auch Helmut Kohl die Bekenntnisschulen in Rheinland-Pfalz abgeschafft.

Das leuchtet doch jedem ein: Sonst könnte man ja womöglich Widerspruch ernten und sich streiten. Oder sogar ein oder zwei katholische Wählerstimmen verlieren? Und mal ganz im Ernst: Das Parteiprogramm oder das Wahlprogramm liest doch eh keiner.

4) “Das Quorum […] ist gesetzlich im Schulgesetz geregelt.”
(Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW) – siehe auch die immer gleich lautende Antwort vieler Beamter aus dem Schulministerium unter Sommer (CDU, 2005-2010) und Löhrmann (seit 2010) in Beantwortung von Briefen der Initiative “Kurze Beine – kurze Wege”.

Ja genau, wo kämen wir denn da hin, wenn der Gesetzgeber einfach so Gesetze ändern würde, nur weil sich die Bedingungen geändert haben? Die katholische Kirche lässt ja auch nicht einfach von heute auf morgen Frauen zum Priesteramt zu.

5. Es gibt doch ohnehin schon so viele Gemeinschaftsgrundschulen. Auch in Bonn.
(sinngemäß: Sylvia Löhrmann, Die Grünen, Schulministerin NRW)

Genau. Weil zwei Drittel der Grundschulen in NRW ohnehin Gemeinschaftsgrundschulen sind, kann sich doch von Bekenntnisgrundschulen keiner diskriminiert fühlen. Im Gegenteil: Sie müssen unter Schulartenschutz gestellt werden!

Alle Zitate von Sylvia Löhrmann entstammen einem Schreiben der Schulministerin vom 1. März 2012.

 

Hintergrund:

Schulgesetz §27 Abs. 3 legt fest:

(3) Bestehende Grundschulen sind in eine andere Schulart umzuwandeln, wenn die Eltern eines Fünftels der Schülerinnen und Schüler der Schule dies beantragen und wenn sich anschließend die Eltern von zwei Dritteln der Schülerinnen und Schüler in einem Abstimmungsverfahren dafür entscheiden.

Nicht abgegebene Stimmen werden aufgrund dieser Regelung faktisch als Gegenstimmen gewertet: Wenn etwa die Eltern von Viertklässlern, die eine Umwandlung gar nicht mehr betrifft, aus Desinteresse nicht an der Abstimmung teilnehmen, können Sie damit eine Umwandlung verhindern – ebenso wie Eltern, die womöglich aus sprachlichen Gründen den Sachverhalt nicht verstehen oder sowieso nie zu einer Schulveranstaltung kommen.

Im Bereich der Hauptschulen wurde übrigens bereits 1968 in NRW ein Schulkompromiss gefunden. Danach genügte fortan ein Drittel der Stimmen für die Umwandlung.

§28 Bestimmung der Schulart von Hauptschulen

(2) Bestehende Hauptschulen sind in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln, wenn die Eltern eines Fünftels der Schülerinnen und Schüler dies beantragen und sich anschließend die Eltern eines Drittels der Schülerinnen und Schüler in einem Abstimmungsverfahren dafür entscheiden.

Ausgehandelt wurde diese Regelung damals von SPD, CDU und FDP (siehe http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46252029.html, wir legen Frau Löhrmann diesen Artikel sehr ans Herz, da er verdeutlicht, dass Kompromisse nicht auf einem Konsens beruhen müssen). Der damalige SPD-Fraktionschef Johannes Rau: “Es gehört zu einem Kompromiß, daß alle Parteien unzufrieden sind.” Weiter wird er übrigens zitiert, er sei nicht sicher, ob seine Fraktion statt des langsamen Aussterbens der Konfessionsschulen nicht lieber deren schnellen Tod will.

Gut weil katholisch?

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In Emmerich wird von 17.-19. Januar 2012 darüber abgestimmt, ob die KGS Liebfrauenschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umgewandelt wird. Angeregt hat diesen Prozess der dortige Schulleiter Heribert Feyen durch einen Brief an die Eltern, in dem er argumentierte, dass die Schule als GGS bessere Lehrereinstellungsmöglichkeiten hätte und der Vielfalt ihrer Schüler besser gerecht werden könnte (wir berichteten).  Die Rheinische Post berichtet von einer Diskussionsveranstaltung am 12. Januar, bei der das Thema lebhaft diskutiert wurde (RP Online, 14.1.2012, Heiße Phase im Bekenntnis-Streit):

“Wo ist das Problem, wenn ein Sportlehrer evangelisch ist?”, wollte etwa eine Mutter wissen. “Ich sehe da eigentlich auch kein Problem”, erwiderte Schulamtsdirektor Hans-Hermann Buyken – der Gesetzgeber untersage es nun mal.

Über 40% der Schüler sind nicht katholisch: Für Kaplan Olding offenbar kein Grund, die Schule umzuwandeln:

Das sei sinnvoll, wenn nur wenige Schüler katholisch seien: “Hier ist das nicht der Fall, in der Liebfrauen-Schule sind rund 150 Schüler katholisch.” Zudem habe die Schule ein ausgeprägtes katholisches Profil mit intensiver Bindung zur Liebfrauen-Kirche.

Die Schulpflegschaft ist gegen eine Umwandlung, unter Berufung auf den guten Ruf der Schule. Die Elternvertreter befürchten offenbar, dass eine Gemeinschaftsgrundschule per se nicht so gut sein kann wie eine Katholische Grundschule. Der Schulamtsdirektor sieht das anders:

“Was ändert sich für mein Kind, wenn wir GGS werden?” fragte ein Vater. Wie eine Schule geführt würde, das liege am Lehrerteam und an den Eltern, meinte Hans-Hermann Buyken. “Aus Erfahrung weiß ich, dass sich die Qualität des Unterrichts durch die Umwandlung nicht ändern wird.”

Er selbst sähe es im Sinne der Ausgewogenheit gern, wenn im Kreis Kleve mehr Bekenntnis- zu Gemeinschaftsschulen würden.

Die Chancen für eine Umwandlung stehen allerdings denkbar schlecht. Nur wenn zwei Drittel aller Eltern für eine Umwandlung plädieren, wird die Liebfrauenschule eine Gemeinschaftsgrundschule. Gegner der Umwandlung können die Wahl daher getrost ignorieren: Selbst wenn alle Eltern katholischer Schüler für die Umwandlung stimmen würden und alle anderen der Wahl fernblieben, würde das lange nicht genügen – benötigt werden 187 Stimmen, egal wie viele Gegenstimmen es gibt und wie hoch die Wahlbeteiligung ist (siehe auch Grundschule Buschdorf: Elternwille scheitert an gesetzlicher Regelung). Die Erfahrung zeigt, dass eine Umwandlung aufgrund der hohen gesetzlichen Hürde nur gelingen kann, wenn alle beteiligten Gruppen diese befürworten: Zum Beispiel deswegen, weil ein/e geeignete Leitungskandidat/in andernfalls wegen der Konfession nicht berufen werden kann.

 

“Bei der Aufnahme an den Grundschulen dürfen Kinder nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert werden.”

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Das hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2010 formuliert. Jetzt stellen sie mit Sylvia Löhrmann die Schulministerin, die alte CDU-Pläne aus der Schublade zieht, mit denen das Gegenteil des Geforderten erzielt werden soll: Zwei mal wurde im Jahr 2011 eine Kabinettvorlage eingebracht mit der Absicht, die Ausbildungsordnung Grundschule (AO-GS) zu ändern, um darin den Vorrang von Bekenntniskindern an Bekenntnisgrundschulen zu verankern. Das klingt zwar einleuchtend, führt aber dazu, dass vielfach Kinder an der Grundschule um die Ecke keinen Platz bekommen, weil im jeweiligen Bekennntnis getaufte Kinder vorrangig aufgenommen werden, egal wie weit entfernt sie von der Schule wohnen. Man muss weder Atheist sein noch politisch links, um das falsch zu finden, zumal es sich um öffentliche Schulen handelt, die zu hundert Prozent von allen Steuerzahlern finanziert werden. Weiterlesen

Bekenntnisgrundschulen in NRW: Was geschah 2011?

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Ein turbulentes Jahr begann mit einem Tiefschlag

2011 war ein bewegtes Jahr für die Initiative “Kurze Beine – kurze Wege”. Es begann mit einer herben Enttäuschung: Am 12. Januar 2011 erhielten wir nach langem Warten das erste Signal der neuen rot-grünen Landesregierung zum Thema Bekenntnisgrundschulen. In ihrem Wahlprogramm 2010 hatten die Grünen noch formuliert: “Bei der Aufnahme an den Grundschulen dürfen Kinder nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert werden”. Das Schreiben eines Beamten aus dem Ministerium der grünen Schulministerin Löhrmann macht jedoch deutlich, dass alles bleiben soll wie von der Vorgängerregierung beschlossen. Weiterlesen

Stadtrat Bonn: Elterninitiative fordert Erleichterung der Schulartänderung

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Bonn. Nachdem die Elterninitiative “Ortsnahe Grundschule Buschdorf” trotz überwältigender Mehrheiten aufgrund der restriktiven landesgesetzlichen Regelung zwei mal in Folge knapp gescheitert ist beim Versuch, die Katholische Grundschule Buschdorf in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln, reichten Mitglieder der Initiative einen Bürgerantrag an den Rat der Stadt Bonn ein.

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Grundschul-Gutachten für NRW fordert erleichterte Umwandlung von Bekenntnisschulen

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Ein am 26.09.2011 veröffentlichtes Gutachten des Lehrerverbands VBE fordert unter dem Motto “Kurze Beine – kurze Wege” einen möglichst weitgehenden Erhalt wohnortnaher Grundschulen in NRW.

Die gleichnamige Initiative, auf deren Seiten Sie hier gelandet sind, setzt sich dafür ein, dass Lehrer/innen und Schüler/innen auch in NRW unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit an allen öffentlichen Schulen gleiche Rechte genießen. Das bedeutet: Uneingeschränktes Aufnahme- bzw. Anstellungsrecht unabhängig von Religion und Konfession an allen öffentlichen Schulen, die zu hundert Prozent von allen Steuerzahlern finanziert werden! Die Initiative hat nichts mit dem VBE zu tun, eine wesentliche Forderung unserer Initiative greift der Verband allerdings auf.

Unter dem Motto “Kurze Beine – kurze Wege” prangert der Lehrerverband VBE an, dass die NRW-Landesregierung nicht ausreichend auf den demografischen Wandel reagiert. Das Gutachten zur Erhaltung von Grundschulen in NRW stellt fest, “dass akuter Handlungsbedarf besteht, um die Situation in den Grundschulen insgesamt zu verbessern.”

Auch die besondere Situation der Bekenntnisschulen findet im Gutachten Erwähnung, da die Schulartenkonkurrenz die Kosten in die Höhe treibt:

Ein besonderes Effizienzproblem besteht in Nordrhein-Westfalen aufgrund des Nebeneinanders von verschiedenen weltanschaulichen Schulen. Hier entsteht zum Teil eine Konkurrenzsituation zwischen öffentlichen Grundschulen und benachbarten Konfessionsschulen, die zu unausgewogenen Schülerzahlen führen. Es ist auch nicht immer unabweisbar, zwei weltanschaulich verschiedene Schulen mit jeweils geringen Jahrgangsbreiten im selben Schulhaus oder in benachbarten Gebäuden unterzubringen. Im Interesse der Schülerinnen und Schüler empfehlen wir auch hier Ressourcen schonende Lösungen anzustreben, um die frei werdenden Mittel zum Erhalt kleiner Grundschulen im ländlichen Raum einzusetzen.

Das Gutachten fordert infolgedessen, die Umwandlungen von Bekenntnisschulen “im Einzelfall” durch weniger restriktive Bedingungen zu erleichtern:

Abbau von Konkurrenzen zwischen unterschiedlichen Grundschularten.
Ein besonderes Problem der Grundschulen in Nordrhein-Westfalen ist eine an vielen Stellen herrschende Konkurrenz von Bekenntnisgrundschulen und Gemeinschaftsgrundschulen innerhalb des gleichen Einzugsbereiches. In Einzelfällen kann dies sogar auf ein schwieriges Nebeneinander unterschiedlicher Bekenntnisgrundschulen und Gemeinschaftsgrundschulen hinauslaufen. Die Landesregierung sollte dafür Sorge tragen, dass solche Konkurrenzbeziehungen einvernehmlich abgebaut werden. Im Wissen um die verfassungsrechtlich verankerte Stellung der Bekenntnisgrundschulen soll hier nicht der untaugliche Vorschlag unterbreitet werden, diese Schulen in Gemeinschaftsgrundschulen umzuwandeln – oder umgekehrt. Der Landesregierung aber steht es immerhin frei, die bisher sehr restriktiven Bedingungen für Umwandlungen im Einzelfall zu verändern. Auch Städte und Gemeinden, die ja Schulträger der Bekenntnisgrundschulen sind, können initiativ werden und Schulen davon überzeugen, dass eine freiwillige Fusion zweier eigenständiger Schulen im Zweifel die bessere Option ist als eine erzwungene Schulschließung.

Zur VBE-Presseerklärung “Kurze Beine – kurze Wege” vom 26.9.2011

Vollständiges Gutachten: “Kurze Beine – kurze Wege: Gutachten zur Erhaltung von Grundschulen in Nordrhein-Westfalen” (Gerd Möller und Ernst Rösner)

Wir hoffen, dass die Erkenntnisse des Gutachtens Eingang finden in die derzeit laufenden Beratungen über das neue Schulgesetz für NRW. Konkret forderten wir bereits in unserem Offenen Brief vom 30.6.2011 an Schulministerium und Landtagsfraktionen:

In Art. 8 der Landesverfassung wird das „natürliche Recht“ der Eltern, Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, beschworen. Das Schulgesetz macht es den Eltern aber fast unmöglich, die Schulart zu ändern. In Bonn-Buschdorf wurde zweimal (2010 und 2011) dokumentiert, dass eine deutliche Mehrheit der Eltern eine Umwandlung der Bekenntnisgrundschule in eine Gemeinschaftsgrundschule wünscht, damit alle Buschdorfer Kinder gemeinsam diese Schule besuchen können. Weil diese Mehrheit aber nicht zwei Dritteln aller Eltern entsprach, wird der von der Verfassung so hoch gehaltene Elternwille vom Schulgesetzgeber als unbeachtlich abgetan. Dies, obwohl in der Landesverfassung in Artikel 12 Absatz 5 verankert wurde, dass Bekenntnis- oder Weltanschauungshauptschulen in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln sind, wenn nur ein Drittel der Eltern (!) dies beantragen, und gemäß Artikel 8 Absatz 1 Satz 1 das Bestimmungsrecht der Eltern Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens sein soll.

Sie wollen das Schulgesetz ändern: Geben Sie den Grundschuleltern eine reale Chance, die Schulart ihrer Kinder zu bestimmen. Bauen sie die in der Realität fast unüberwindlichen Hürden ab, Bekenntnisschulen in Schulen umzuwandeln, die allen Kindern gleichermaßen offen stehen und sowohl katholischen als auch evangelischen Religionsunterricht anbieten bzw. den Eltern erlauben, ihre Kinder nicht am Religionsunterricht teilnehmen zu lassen.

Eine Antwort auf unseren Brief haben wir bis heute nicht erhalten. Die bisher geplanten Änderungen im Schulgesetz sehen keine Erleichterung der Umwandlung von Bekenntnisschulen vor.

Von der Schulpolitik in NRW und nichtkatholischen “Laufkindern” in Siegen

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Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann? Niemand!
Und wenn er aber kommt? Dann laufen wir davon!

Die NRW-Landespolitik macht es Kommunen und Eltern im Grundschulbereich nicht leicht. Oder, wie es der bundesweit tätige und aufs Schulrecht spezialisierte Rechtsanwalt Andreas Zoller ohne diplomatische Zurückhaltung formuliert:

“Salopp könnte man sagen, daß die Schulwahl in NRW sich so ziemlich alle Probleme aufhalst, die insgesamt denkbar sind:
Im Grundschulbereich wurden zwischenzeitlich die Schulbezirke aufgehoben, so daß sich bereits im Bereich der Einschulung mitunter kuriose Aufnahmekapazitätsrechtsstreite abspielen. […] Die Neuregelung ist deutlich mißlungen und zementiert die Mentalität der Schulen, potentiell mißliebige Schüler abzuweisen und die der Schulbehörden, sich bei Problemfällen herauszuhalten.

Weiter führt Zoller zum Thema Aufnahmekapazitäten aus:

“Das Hauptproblem liegt darin, daß dann, wenn Schülerströme nicht durch Schulbezirke oder Schuleinzugsbereiche gelenkt werden, diese oftmals sich auf eine oder wenige Schulen fokussieren. Zum Problem wird dies dann, wenn Aufnahmekapazitäten nicht zur Aufnahme aller Schüler ausreichen.”

In Zeiten zurückgehender Schülerzahlen müssen vielfach Grundschulen zusammengelegt oder geschlossen werden, was durch die unterschiedlichen Schularten oftmals zu Konflikten führt. Hinzu kommt ein wachsender Anteil religionsfrei oder muslimisch aufwachsender Kinder, so dass schnell der Eindruck der Benachteiligung bestimmter Gruppen im Raum steht.

Eine schöne Illustration für die oben beschriebenen Probleme findet sich in Siegen, wo die Stadt über kreative Lösungen für den Umgang mit unterschiedlich beliebten Grundschulen nachdenkt, wie Der Westen berichtet:

Die auf zwei Züge festgelegte katholische Schule platzt aus allen Nähten, während in der größten Schule in der Stadtmitte Leerstände drohen. Andererseits ist die katholische Grundschule Angebotsschule für das ganze Stadtgebiet und kann Kinder von überall aufnehmen.

Dem könnte die Stadt nur „entgegensteuern“, wenn die politischen Gremien für die Bekenntnisschule auf dem Dörnberg die Einzügigkeit festlegen würden.

Dann würden wirklich nur die katholischen Kinder dort aufgenommen werden, die derzeit schon eine Minderheit unter den Neuanmeldungen für die Bekenntnisschule sind. „Laufkindern“ aus der näheren Umgebung, die nicht katholisch sind, und Geschwisterkindern bliebe das Angebot erhalten.

[…] Dass an der Gemeinschaftsgrundschule Kreuztal durch Festlegung der Zügigkeit das Integrationsproblem gelöst werde, stellte Bürgermeister Kiß in Abrede. Das könne nur ein indirekter Effekt sein. Denn letztlich liege dies am Elternwillen. Dazu hatte ein Kreuztaler Vater „mit Migrationshintergrund“ eine eindeutige Meinung: „Niemand kann erwarten, dass Ausländer sich integrieren, wenn die Gastgeber sich von den Gästen entfernen.“ Er appellierte an anwesende Eltern, ihre Kinder an der Gemeinschaftsgrundschule anzumelden.
Der Westen, Ausgabe Siegen, 22.9.2011, Schuldiskussion kommt in Fahrt

Wir wüssten gerne, wo im Schulgesetz eigentlich der Passus von den Laufkindern zu finden ist.